Document no. 19450

K. K. Gegen die mexikanische Verfolgung!, in: Katholische Korrespondenz, Nr. 35, 10 July 1928
Ueber die größte aller bisherigen deutschen Protestversammlungen wird uns von einem Teilnehmer geschrieben:
Vor kurzem fand, wie jedes Jahr, die große Männerwallfahrt nach Marienthal im Rheingau statt. Man hatte diesmal die Parole ausgegeben, Protest zu erheben gegen die Verfolgung der mexikanischen Katholiken. Der Erfolg war, daß ungefähr 10.000 Männer zusammenströmten. Sie kamen schon am frühen Morgen in Sonderzügen, Autos und dichtbesetzten Schiffen aus der Gegend um Mainz und Bingen. Von Geisenheim am Rhein zog man in Prozessionsform singend und betend zu dem herrlich gelegenen Franziskanerkloster Marienthal, das ein uraltes, seit dem 14. Jahrhundert bekanntes Gnadenbild der Mutter Gottes birgt. Eineinhalb Stunden dauerte der prächtige Einzug. Als dann die Pilger die hinter dem Kloster gelegene weite Talebene und noch zum Teil die Bergabhänge besetzt hatten, sang der mexikanische Erzbischof Gonzales von Durango unter Assistenz des hochw. Bischofs von Mainz das feierliche Pontifikalamt. Dann folgte eine Szene, die wohl jedem Besucher unvergeßlich sein wird. Einige Kongreganisten hoben das alte traute Gnadenbild auf eine kostbare Tragbahre, die Männerscharen bildeten überall eine Gasse, und unter den Klängen der alten Marienlieder durchschritt dann die Muttergottesstatue, gefolgt von den Kirchenfürsten, der Geistlichkeit und den Fahnendeputationen, die vielen Tausend rheinischer Männer, - Maria segnet das katholische Rheinland, segnet die Elite gesunden rheinischen Volkstums, segnet die geschichtlichen Höhen mit ihren Burgen und Klöstern und Kapellen, die Wege, auf denen die Füße der Heiligen gewandelt, einer hl. Hildegard, eines Ruppertus, eines Rochus, segnet die Areitsstätten des ihr huldigenden Volkes, die Rebenhügel, den Rheinstrom und die Städte und Dörfern an seinen Ufern. Sollte es nicht ein Gewähr sein der echt katholischen Zukunft des Volkes am Mittelrhein? Nach der Mittagspause begrüßte der Diözesanpräses, Geistl. Rat Eich von Bingen, die Versammelten. Der hochw. Bischof von Mainz gab seiner Freude Ausdruck, daß so gewaltige Scharen katholischer Männer zusammengeströmt seien zu dieser religiösen Kundgebung für unsere verfolgten und gemarterten Glaubensbrüder, und hieß vor allem den mexikanischen Erzbischof Gonzales herzlich willkommen. Dann ergriff P.  Mariaux S. J. das Wort. In einem großangelegten Vortrag schilderte er unter atemloser Stille der Versammlung die ungeheure Gewalt und Roheit, mit der man die mexikanische Kirche verfolgt und knechtet. Als er im zweiten Teile ein Bild von dem heldenmütigen Widerstand des mexikanischen Volkes entwarf und in vielen Einzelzügen schilderte, wie alle Stände, selbst schwache Frauen und Kinder, an diesem Heldenkampf der "vom Blut geröteten Nation", wie der Papst sie nannte, sich beteiligten, da sah man viele Männer weinen. Tosender Beifall erhob sich, als der Redner sich an den hochwürdigsten Erzbischof von Durango wandte und erklärte, daß die deutschen Katholiken mit Freuden die Gelegenheit wahrnähmen, in ihm den ganzen mexikanischen Helden-Episkopat zu begrüßen und zu verehren. Unter gewaltigem Beifall richtete dann der mexikanische Erzbischof selbst eine kurze Ansprache an die Versammlung. Er dankte dem rheinischen katholischen Volke für die erhebenden Kundgebungen zugunsten seiner armen Heimat und erklärte, sie trügen wesentlich dazu bei, daß die mexikanischen Katholiken trotz ihrer schweren Leiden optimistisch in die Zukunft schauten. Die Schilderungen, die P. Mariaux gegeben hatte, bestätigte er ausdrücklich. Zum Schluß erhoben die Versammelten wie ein Mann ihre Rechte, um ihrer Entrüstung gegen die Vergewaltigung der katholischen Religion Ausdruck zu verleihen. Ihre Protestresolution wurde an das deutsche Auswärtige Ministerium und an die mexikanische Gesandtschaft in Berlin weitergegeben.
Das katholische deutsche Volk ist dem mexikanischen aufs tiefste verbunden - tiefer als durch die Bande politischer Freundschaft. Das geheimnisvolle Einssein aller Katholiken in der unaussprechlichen Gliedgemeinschaft des einen Christusleibes sprach als wuchtige Realität aus der Kundgebung in Marienthal. Solange, das ist gewiß, wird der Protest dieser deutschen Katholiken andauern, wie die Leiden ihrer Brüder und Schwestern drüben jenseits des Ozeans nicht aufgehört haben. - x.
Recommended quotation
Anlage from 10 July 1928, attachment, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', document no. 19450, URL: www.pacelli-edition.de/en/Document/19450. Last access: 02-05-2024.
Online since 20-01-2020.