Document no. 20993
Hygieneausstellung
Dresden 1930
Programm-Entwurf Januar
1928
Herausgegeben vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Dresden, before 24 June 1928
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Hygieneausstellung Dresden
1930Programm-Entwurf Januar 1928
Herausgegeben vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden-A. 1
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Eine neue Hygiene-Ausstellung in DresdenDas Deutsche Hygiene-Museum wird im Jahre 1929 sein neues Heim in Dresden beziehen. Da liegt der Gedanke nahe, die Eröffnung dieses Zentralinstitutes für Volksgesundheitspflege zum Anlaß einer Ausstellung auf dem Gebiet der Hygiene zu nehmen.
Dem Qualitätsgedanken der in den letzten Jahren veranstalteten Dresdener Ausstellungen (Jahresschau Deutscher Arbeit) folgend, bringe ich für das Programm den Vorschlag, sich dabei möglichst auf das Gebiet der persönlichen Gesundheitspflege und der Leibesübungen zu beschränken und diese dann in der 1911 von Dr. Lingner erstmalig beschrittenen Weise nach sachlichen Gesichtspunkten - nicht nach Ausstellern - zur Darstellung zu bringen. Den Mittelpunkt einer jeden Halle und Gruppe bildet dann das in den eigenen Werkstätten unter der Mitarbeit der hervorragendsten Fachleute der verschiedensten Wissensgebiete hergestellte Schaumaterial, an das sich die anderen Aussteller, auch die Industrie, angliedern können. Dabei soll besonders auch mit dem Reichsausschuß für hygienische Volksbelehrung zusammengearbeitet und unter anderem eine große Gruppe "Hygienische Volksbelehrung im In- und Auslande" geschaffen werden. Nachstehend habe ich die Grundgedanken niedergelegt, die mich bei dem Plan der Ausstellung geleitet haben. Von dem Grundgedanken "Persönliche Hygiene und Leibesübungen" ausgehend, haben die Herren Dr. Vogel und Dr. Neubert die Gliederung der Ausstellung ausgearbeitet.
Dr. med. h.c. Seiring.
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Hygiene-Ausstellung Dresden 1930Als die Vorarbeiten für die "Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911" durch ihren Schöpfer, den Dresdner Großindustriellen Lingner, aufgenommen und die Mithilfe und Unterstützung öffentlicher Gewalten und der Fachwelt begehrt wurde, begründete Lingner seine Bitte damit, daß es sich bei der Ausstellung um ein Unternehmen handele, das höhere Ziele fördere, als es sonst bei Ausstellungen üblich sei. Der ideale Zweck, die Bevölkerung hygienisch aufzuklären und ein lückenloses Bild dessen zu geben, was bisher auf hygienischem Gebiete geleistet worden ist, solle ausschließlich im Vordergrunde stehen, und nur aus äußerlichen Gründen werde für diese universelle Lehrveranstaltung die Form einer Ausstellung gewählt. Ihr Zweck sei nicht nur, in dem Besucher einen nachhaltigen Eindruck zu erzeugen und ihn zu besserer Gesundheitspflege anzuhalten, sondern sie solle auch den Ausgangspunkt bilden für eine Bewegung, überall Gelegenheiten zu dauernder hygienischer Belehrung zu schaffen. Dieses von Lingner gewünschte Ergebnis der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 ist auch erzielt worden.
In mehr als hundert Hallen war das gewaltige Lehrbuch der Hygiene aufgestellt. Mit der Organisation, der Anordnung des Materials, der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie hatte Lingner auch dem Ausstellungswesen neue Wege gewiesen und einen unerwartet großen Erfolg zu verzeichnen. Auch das Ausland beteiligte sich in einem bisher in Deutschland ungewöhnlichen Umfange an der Ausstellung. Es waren dies die Stadt Amsterdam, die Länder Brasilien, China, England (private Organisation), Frankreich, Italien, Japan, Österreich, Rußland, Schweiz, Spanien, Ungarn.
Die "Internationale Baufach-Ausstellung Leipzig 1913" und die "Internationale Buchgewerbe-Ausstellung Leipzig 1914" sowie die "Ausstellung für Gesundheitspflege Stuttgart 1914" bauten sich in
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ihrer Organisation und in ihrer
Durchführung auf die in der Hygiene-Ausstellung 1911 geschaffene Neugestaltung des
Ausstellungswesens auf.Die Entwicklung des Ausstellungswesens nach dem Kriege verließ zunächst diese Grundlage vollständig. Fast jede deutsche Stadt ging daran, sich eigene Ausstellungsparks zu schaffen, Ausstellungshallen zu bauen und zur Ausnutzung dieser Hallen Ausstellungen zu veranstalten, die aber kaum kulturelle Bedeutung hatten, sondern einen ausgesprochenen Messecharakter trugen. Dadurch wurde nur Unruhe in die deutschen Wirtschaftskreise gebracht, so daß die führenden wirtschaftlichen Verbände, unterstützt vom Deutschen Ausstellungs- und Messeamt, gegen dieses Überhand nehmen von Ausstellungen Front machen mußten.
Dresden, die Stadt der "Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911" ist in der "Jahresschau Deutscher Arbeit" wieder dazu übergegangen, einen Ausstellungstyp zu schaffen, der den Qualitätsgedanken an die Spitze seiner Arbeit stellt. Alljährlich wird ein bestimmtes Gebiet des deutschen Gewerbes in Höchstleistungen an Arbeitsgüte, Form und Stoff in einer Ausstellung vorgeführt. Damit hat Dresden gezeigt, daß es auf den Grundgedanken der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 weiterbaut und berufen ist, auch eine über den Rahmen einer Jahresschau hinausgehende Ausstellung von kulturellem Niveau zu schaffen, wie sie für die Gesundung des deutschen Ausstellungswesens nötig sind. Wenn aus diesen Erwägungen heraus der Entschluß gefaßt worden ist, im Jahre 1930 eine HygieneAusstellung zu veranstalten, so war dafür auch die in der ganzen Welt anerkannte, führende Stellung Dresdens in Fragen der hygienischen Volksbildung maßgebend.
Das aus der "Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911" entstandene Deutsche Hygiene-Museum hat die damals begonnene Aufklärungsarbeit fortgesetzt und sich besonders durch seine Tätigkeit auf dem Gebiete der Wanderausstellungen im In- und Auslande Weltruf erworben. Es ist ja das große Verdienst der Ausstellung von 1911 und weiterhin des Deutschen Hygiene-Museums, der hygienischen Volksbelehrung die Bahn freigemacht und neue Wege gewiesen zu haben. Die Notwendigkeit hygienischer Volksbildung ist heute von allen Einsichtigen anerkannt. Gesundheit ist der höchste Besitz des Menschen und das größte Gut der Völker. Gesundheit bedeutet Lebensglück für den Ein-
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zelnen, Kraft und Macht für das Volk. Aber so geläufig
uns auch diese Sätze sind, so wenig handeln doch die meisten Menschen nach ihnen und
vernachlässigen ihre Gesundheit. Daraus ergibt sich zwingend die Notwendigkeit der
hygienischen Volksbelehrung und Volkserziehung. Die Menschen müssen zur Beachtung der
Gesundheitsregeln erzogen werden, vor allen Dingen müssen sie ihren Körper verstehen lernen,
denn nur, wer den menschlichen Körper begriffen hat, kann sich auch gesundheitsgemäß
verhalten. Von diesem Gedanken ist Dr. Lingner, der Schöpfer der Internationalen
Hygiene-Ausstellung und des Deutschen Hygiene-Museums, bei allen seinen Arbeiten
ausgegangen. Da nur die wenigsten Menschen von sich aus die Neigung haben, sich die nötigen
Kenntnisse durch eigenes Studium zu erwerben, mußte ein gangbarer Weg gefunden werden, die
Unwissenheit zu bekämpfen, und dieser war die neue Art der Ausstellung.Das zweite Verdienst der Internationalen Hygiene-Ausstellung war, daß sie die als notwendig erkannte Aufklärung über den menschlichen Körper als großes lebendiges Bilderbuch brachte, man kann sogar sagen, als ein großartiges Spielzeug für die Besucher im Sinne des Arbeitsunterrichtes, wie er in den deutschen Volksschulen vielfach eingeführt ist. Diese Ausstellung brachte bildliche und plastische Darstellungen, bewegliche Modelle, also alles Dinge, die den Betätigungsdrang der Besucher anregen sollten. Dadurch sollte erreicht werden, gleichsam spielend dem Menschen das Wichtigste über den Menschen, seine Organe, das Verhältnis der Funktionen der Organe zueinander beizubringen. Der überwältigende Erfolg der Ausstellung 1911, und besonders der so starke Besuch der Abteilung "Der Mensch" hat bestätigt, daß diese Grundgedanken richtig sind. Das ist auch dem Deutschen Hygiene-Museum, das in derselben Weise arbeitet, durch die außerordentlich günstigen Ergebnisse seiner Wanderausstellungen im In- und Auslande bestätigt worden.
So hat sich das Deutsche Hygiene-Museum im Laufe der Jahre zu einem Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege entwickelt, seine Bedeutung für die Hebung der Volksgesundheit ist allgemein bekannt. In Deutschland und zahlreichen europäischen Ländern (Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Holland, Schweiz, Österreich, Tschechoslowakei, Ungarn, Lettland) hat es ein fruchtbares Betätigungsfeld gefunden, und auch die Hygienesektion des
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Völkerbundes hat sich seiner Mithilfe bedient bei der
Beschaffung von Unterrichtsmaterial zur ärztlichen Fortbildung in Moskau, Charkow und
Warschau. Allein die Hygiene-Ausstellung Wien im Jahre 1925, die in neun Wochen einer
Besucherzahl von über einer Million Menschen hygienische Kenntnisse vermitteln konnte, ist
als ein bedeutender Erfolg zu werten.Mit Hilfe des Deutschen Reiches, des Sächsischen Staates und der Stadt Dresden wird nun dem Deutschen Hygiene-Museum in schönster zentraler Lage Dresdens, in unmittelbarer Nähe der großen Sportplatzanlage (Stadion), des Großen Gartens und des Dresdner Ausstellungsgeländes ein würdiges Heim errichtet. Der Grundstein ist am 8. Oktober 1927 gelegt worden, und für Herbst 1929 ist die Eröffnung des Museums vorgesehen. Es wird eine Anzahl neuer Gruppen des Museums erstmalig der Öffentlichkeit gezeigt werden können, die auf Grund der neuesten wissenschaftlichen Forschung und der weiterentwickelten Ausstellungstechnik geschaffen worden sind.
Da liegt es nahe, daß aus diesem Anlaß unter der Führung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden, seinem Sitze, in einer großen Ausstellung das Gebiet der Hygiene und der Leibesübungen wieder einmal zum Gegenstand einer umfassenden Ausstellung gemacht wird.
Die große "Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf 1926", an deren Ausgestaltung sich das Deutsche Hygiene-Museum durch Darstellung wichtiger Gruppen, besonders der Gruppe "Der Mensch", wesentlich beteiligte, war das Werk des bekannten Kinderarztes und Organisators Geheimen Medizinalrates Professor Dr. Schloßmann. In einer kaum wieder zu erreichenden Vollständigkeit war hier in besonderem Maße das Gebiet der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege zur Darstellung gebracht worden, während das Gebiet der persönlichen Hygiene und der Leibesübungen dank der Entwicklung der letzten Jahre heute noch wesentlich besser zur Darstellung kommen kann. Dresden will seiner Ausstellung jedenfalls ein völlig anderes Gepräge geben, als es die Gesolei in Düsseldorf hatte. Nicht in gleichem Ausmaße sollen alle Gebiete der Gesundheitspflege, der sozialen Fürsorge und der Leibesübungen behandelt werden, sondern es sollen, dem Qualitätsgedanken der Dresdner Ausstellungen folgend, die eng umrissenen Gebiete der persönlichen Hygiene und der Leibesübungen den Hauptteil der für 1930 in Dresden geplanten Ausstellung bilden. Das wichtige Gebiet der
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Gesundheitsfürsorge soll in der Ausstellung nur soweit
mit zur Darstellung gebracht werden, als es zu einer vollständigen Übersicht über das
Gesamtgebiet des Gesundheitswesens erforderlich ist.Seit 1911 sind auf dem Gesamtgebiet der Hygiene und auch der Leibesübungen fast revolutionäre Umwälzungen erfolgt, so daß man 1911 nur als einen ersten Vorstoß bezeichnen kann, dessen Wiederholung heute etwas ganz anderes zeigen würde, als es 1911 der Fall war, wenn man die Umwälzungen entsprechend ihrem Werte berücksichtigt. Man denke hier nur an die Gebiete der Vererbung, der Rassenhygiene, der Ernährungswissenschaft, des Verjüngungswesens, der hygienischen Volksbelehrung usw.
Bei dem außerordentlichen Interesse, das den Bestrebungen des Deutschen Hygiene-Museums vom Deutschen Reiche, den deutschen Ländern, den Städten, Gemeinden, Versicherungsträgern und allen Organisationen auf dem Gebiete der Gesundheitspflege und der Leibesübungen entgegengebracht wird, ist damit zu rechnen, daß die Beteiligung dieser Stellen an der Hygiene-Ausstellung 1930 zum mindesten in gleichem Umfange erfolgt, wie es bereits 1911 in Dresden der Fall gewesen ist, oder wie diese Stellen 1926 in Düsseldorf sich beteiligt haben. Dresden, diese außerordentlich zentral gelegene Stadt Mitteldeutschlands, die einen stetig wachsenden Fremdenverkehr aufweist, und die auch als Kunststadt in aller Welt bekannt ist, wird von sich aus alles tun, den Besuchern der Ausstellung den Aufenthalt in Dresden so angenehm wie möglich zu machen.
Es ist auch zu erwarten, daß das Ausland sich wieder an der in Dresden geplanten Ausstellung 1930 in größerem Umfange beteiligt. Schon die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 hat gezeigt, welch große Leistungen auf dem Gebiete der Gesundheitspflege das Ausland aufzuweisen hat und wie wichtig es ist, wenn In- und Ausland ihre Erfahrungen auf diesem internationalen Gebiete austauschen, was seit 1911 nicht mehr geschehen ist. Es liegt auch in den Satzungen des Völkerbundes begründet, daß durch die eigens für diesen Zweck gebildete Hygiene-Sektion, durch Studienreisen, ein Austausch der Ärzte erfolgt. Es ist daher nur eine Erweiterung dieses Gedankens, wenn man wieder einmal den Staaten Europas und darüber hinaus der ganzen Welt Gelegenheit gibt, an dem Orte, von dem die ersten starken Anregungen auf dem Gebiete der hygienischen Belehrung des Volkes ausgegangen sind, ihre Erfahrungen auszutauschen.
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Für
die Veranstaltung der "Hygiene-Ausstellung für 1930" sprechen somit folgende
Gesichtspunkte:1. Durch die "Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911" ist eine neue Tradition auf dem Gebiete des Ausstellungswesens begründet worden, und diese Ausstellung war der Ausgangspunkt der gesundheitlichen Belehrung und Aufklärung weit über die Grenzen Deutschlands hinaus.
2. In dem aus der "Internationalen Hygiene-Ausstellung" hervorgegangenen Deutschen Hygiene-Museum, das sich durch stete Weiterentwicklung der in der Internationalen HygieneAusstellung aufgestellten Ziele zu einem Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege weit über die Reichsgrenzen hinaus entwickelt hat, und dessen Eröffnung 1929 zu erwarten ist, wird der Ausstellung ein Mittelpunkt geboten, wie er keiner anderen Stadt zu Gebote steht.
3. Die Entwicklung auf allen Gebieten der Gesundheitspflege und die Umwälzungen seit 1911, besonders durch die Kriegs- und Nachkriegszeit, die verstärkte Inanspruchnahme der Arbeitskraft der Menschen, die Erkenntnis, daß die dagegen notwendigen Maßnahmen der Gesundheitspflege vor allem vom Tun und Lassen der einzelnen Menschen abhängen, lassen es als unbedingt notwendig erscheinen, wieder einmal in einer großen Ausstellung zusammengefaßt der Bevölkerung Belehrung zu bieten.
4. Wohl selten haben zwei so eng verbundene Gebiete, wie die Körperpflege und Leibesübungen einen derartigen Aufschwung genommen. Wenn man bedenkt, daß 1911 erstmalig das Gebiet des Sports, wie man es damals nannte, zusammenfassend vorgeführt worden ist, zum ersten Male ein Sportlaboratorium in Tätigkeit vorgeführt wurde und dies mit der Entwicklung im Jahre 1927 vergleicht, so wird man die Berechtigung sehen, dieses für die Volkskraft so wichtige Teilgebiet einmal wieder geschlossen vorzuführen.
5. Das starke Interesse des Auslandes im Jahre 1911, die Bedeutung des Austausches der Erfahrungen aller Länder zeigen mit zwingender Notwendigkeit, daß man dieses internationale Gebiet der Gesundheitspflege durch Beteiligung fremder Staaten zum Nutzen aller fördern kann. Dresden, der Ausgangspunkt der hygienischen Volksbelehrung, ist hierfür die gegebene Stadt.
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[Lageplan des Ausstellungsgeländes zwischen der
Zinzendorf-Straße, der Stübel-Allee und dem Großen Garten]Gelände der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911; ist etwa im gleichen Umfang auch für die Ausstellung 1930 vorgesehen.
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Gliederung der Ausstellung[Schaubild]
[Legende]
HE Historisch. Ethnogr. Gruppe
MH Methoden der Hygiene
HV Hygienische Volksbelehrung
KR Schutz gegen Krankheit
M Der Mensch
FVR Fortpflanzung Vererbung Rassen-Hygiene
FR Die Frau
K Das Kind
E Ernährung
N Nahrungsmittel
KL Kleidung
WO Wohnung
KÖ Körperpflege
LEI Leibesübungen
AR Arbeitshygienen
SE Seelische Hygiene
ST Städte u. Staaten
AL Ausland
[Kreis mit einem Punkt in der Mitte] Im Hyg.-Museum
[Ausgefüllter Kreis] Ausserhalb des Museums
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Gliederung der AusstellungDie Ausstellung hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die unbedingt notwendige, rationelle Gesundheitspflege gerade für den Menschen der abendländischen Zivilisation und insbesondere den Großstädter eindringlich zu zeigen. Ausgehen wird sie dabei vom Menschen selbst und seinen naturgegebenen Lebensbedürfnissen, wird von hier aus weiterführen zur Schilderung der Umwelt des heutigen Menschen und wird schließlich die Maßnahmen darstellen, die die Schäden dieser Umwelt ausgleichen können.
A. Allgemeine Abteilung
Als Stützpunkt und Kern der Ausstellung ist das Deutsche Hygiene-Museum gedacht. Seine wichtigste Gruppe ist die berühmte:
1. Der Mensch
Sie wird 1930 in durchaus neuer Form erscheinen. Da das Museum alle seine Darstellungserfahrungen mit besonderer Liebe dieser Gruppe zuwendet, so wird das, was hier 1930 an Bildern, plastischen Nachbildungen, beweglichen Modellen und Apparaten zur Selbstbetätigung erscheinen wird, ein ganz neues und vom altgewohnten verschiedenes Bild ergeben. Neben dem "Durchsichtigen Menschen", der in den letzten Jahren vielgenannten Sonderschau, wird noch eine Darstellung erscheinen, die endlich den alten Gedanken Lingners verwirklicht, in besonderer Weise den Menschen als technisches und künstlerisches Meisterwerk zu zeigen. Die letzten Monate brachten die Erfüllung dieser Idee. Neu hinzu treten zu dieser Gruppe als Ergänzung die Ausstellungsabteilungen über
2. Fortpflanzung, Vererbung und Rassenhygiene
Das sind Zweige der Wissenschaft, die zwar 1911 schon anfingen zu arbeiten, aber erst seitdem ihren eigentlichen Ausbau erfahren
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haben. Hier werden gebracht die gesicherten
Forschungsergebnisse über die Vererbungsgesetze, über das Zusammenwirken von Erbanlage und
Umwelt, über die erblichen Anlagen und Leiden, die Keimschädigung, und werden gezeigt die
privaten und öffentlichen Maßnahmen der Rassenhygiene.3. Die Frau
als Hauptträgerin der menschlichen Fortpflanzung findet dann noch eine besondere Darstellung. Ihre Besonderheit dem Manne gegenüber, die besondere Belastung der Frau durch Haushalt, Beruf und Fortpflanzungstätigkeit, die biologische Einheit von Mutter und Säugling werden den Beschauern vor Augen geführt. Und nun kommen neu geschaffene Gruppen über
4. Das Kind
Es wird hier gezeigt die Entwicklung vom Säugling zum Kleinkind und Schulkind, die Ernährung und Pflege des Säuglings und Kleinkindes, die Körperpflege und die Erziehung im Schulalter, die Krise der Pubertätsjahre, das körperliche und seelische Wesen des Jugendlichen und die besondere Gesundheitspflege in diesen Jahren.
Hatte der Mensch, sein Wachsen und Werden, selbst bisher im Blickpunkt gestanden, so wird nun die Gesundheitspflege in das Gesichtsfeld gerückt und zunächst
5. Die Ernährung
des Menschen vorgeführt. Ausgehend von den Verdauungsorganen kommen wir zum Stoffwechsel, erhalten einen Überblick über die Grundlagen des Stoff- und Kraftwechsels in der Natur und im Körper, dann anschließend über den Bedarf an Nahrung im Ganzen und an einzelnen Nährstoffen. Aber auch die Bedeutung der einzelnen Nahrungsmittel und Nahrungsstoffe, ihre Bewertung, Preis und ihre Zubereitung werden im einzelnen gezeigt. Gerade an diesen Fragen wird geprüft werden können, wie eng die Theorie mit der Praxis in Haus- und Volkswirtschaft verbunden ist. Besonderem Interesse dürfte hier auch die Darstellung der Vitamine und der verschiedenen Nährschäden begegnen.
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6. Die Nahrungsmittelbilden eine besondere Gruppe für sich, weil die Methoden und Einrichtungen zu ihrer Untersuchung sich längst zu einer Wissenschaft für sich entwickelt haben.
7. Die Kleidung
Die Schilderung der Kleidungsfrage vom hygienischen Standpunkt aus wird sich anschließen. Mode und Gesundheit! Welch anziehendes Thema, wie oft schon literarisch behandelt, noch nie anschaulich! - Der Besucher soll weiterhin erfahren, warum wir uns kleiden müssen, welche Schäden und Nachteile die Kleidung haben kann, welche Anforderungen an eine hygienisch richtige Kleidung zu stellen sind, und er soll dann auch gleich praktische Vorschläge hierzu sehen.
8. Die Wohnung
Die erweiterte Kleidung ist die Wohnung. Daß die Wohnungsfrage Schlüsselfrage für die Gesundheitspflege ist, haben wir alle am eigenen Leibe verspürt. Die Ausstellung wird deshalb den Stand dieses Problems kurz aber treffend schildern, sie wird zeigen, warum wir in unserem Klima eine Wohnung brauchen. Sie wird einen kurzen Überblick darüber geben, wie das Wohnungsbedürfnis zu anderen Zeiten und bei anderen Völkern befriedigt wurde und im Gegensatz dazu darstellen, wie der Durchschnitt des Europäers heute wohnt. Demgegenüber wird sie die Forderung der Hygiene an eine gesunde Wohnung und Wohnform aufstellen und auch hier von sich aus Muster richtiger Wohnungsanlagen, Wohnungsbauten und Einrichtungen bringen und Vorschläge zur Wohnungspflege machen.
Innerlich mit dem "Menschen" selbst, wie auch untereinander eng verbunden sind die nächsten vier Gruppen, die einen Einblick in neuzeitliche Lebenspflege, die Pflege des leiblich-seelisch als Einheit erkannten Menschen geben sollen.
9. Die allgemeine Körperperplege
Hier wird ein geschichtlicher und ethnographischer Überblick besonders fesseln. Die Besucher werden aber auch sicher von
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den Darstellungen über
allgemeine Körperpflege, Schlaf und Arbeit, Anstrengungen und Erholung, Freizeit, allgemeine
Schönheitspflege, Verjüngung, Haut-, Nagel- und Haarpflege, Badewesen, Zahnpflege usw. stark
angezogen werden.10. Leibesübungen
Sport, Turnen, Gymnastik oder - pädagogisch gesehen - die körperliche Erziehung und die Körperübungen sind das wichtigste aktive Glied in der Gesundheits- und Lebenspflege. Die Ausstellung soll erstmalig eine umfassende Darstellung dieses Gebietes bringen, und zwar nicht nur als geschichtlichen Überblick, auch nicht nur die Darstellung dessen, was in dieser Angelegenheit geschieht, in Vereinen, Schulen und dergleichen, sondern wie die körperlichen Übungen betrieben werden sollen und warum sie in dieser geforderten Weise notwendig sind.
Es werden also die Anatomie, Physiologie, Hygiene und Methodik der körperlichen Übungen eingehend geschildert werden. Das Deutsche Hygiene-Museum hat jetzt schon ganz neue Darstellungsmethoden zu diesem Zweck ausgearbeitet.
11. Arbeits- und Gewerbehygiene
Der Ausgleich der Zivilisationsschäden kann aber nicht nur außerhalb des Berufs stattfinden, er muß in den Beruf selbst eintreten, mit anderen Worten: Arbeits- und Gewerbehygiene sind ein wichtiges Glied des Gesundheitsschutzes. Die Ausstellung wird zeigen, wie wechselweise Beruf und Mensch aufeinander einwirken, in welchem Verhältnis Mensch und Arbeit zueinander stehen. Berufseignung, Arbeitsphysiologie auf der einen, Berufsschädigungen und ihre Verhütung auf der anderen Seite und die Folgerungen aus beiden, Arbeitstechnik, Ausgleichsmöglichkeiten (Leibesübungen, Freizeit), Berufsberatung, Berufswahl sollen hier vor den Menschen stehen und ihnen wertvolles Wissen für das praktische Leben mitgeben.
Hier spielen schon stark auch psychologische Fragen herein. Diese sollen aber ihrer Wichtigkeit entsprechend, noch im Zusammenhang behandelt werden in der Gruppe:
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Seelenleben und seelische HygieneHier soll der Mensch einmal in seiner Gesamtheit gewürdigt werden. Sein allgemeines Verhältnis zur Umwelt, die Einstellung der verschiedenen Charaktere zu ihr, die Ausdruckskunde, die Lehre der Mimik und Graphologie, die vom Unterbewußtsein werden hier zum ersten Male volkstümlich dargestellt.
1930 wird es auch an der Zeit sein, allgemein die
13. Aufgaben und Methoden der Hygiene
für weite Kreise übersichtlich darzustellen. Da wird vom Sinn und Ziel der Hygiene zu handeln sein, den Blick darauf zu lenken, mit welchen ärztlichen, technischen Maßnahmen die Hygiene gefördert werden kann, welche gesetzlichen Möglichkeiten und welche erzieherischen es gibt, um die von der Wissenschaft und Erfahrung gefundenen Grundsätze in die Tat umzusetzen.
Unter einen besonderen Gesichtswinkel gestellt werden die Methoden der Hygiene in zwei weiteren Gruppen:
14. Hygienische Volksbelehrungs und Volksbildung
Die in der Ausstellung gezeigten Forderungen zur Gesundheitspflege können nur Wirklichkeit werden durch die hygienische Volksbelehrungs- und Volksbildungsarbeit. Hier muß deshalb in der Ausstellung 1930 eine eigene Sendergruppe gebildet werden, in der nun alle Mittel und Wege dieser Art vom Bild und Plakat über das gesprochene und geschriebene Wort bis zum Theater, Film und Rundfunk geschlossen vorgeführt werden können. Bei dieser Gruppe ist besonders an die Mitarbeit des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung gedacht.
In einer
15. Historisch-ethnographischen Gruppe
die ja auch 1911 so besonderen Anklang gefunden hat, wird nicht nur die Geschichte der Hygiene im allgemeinen gebracht, sondern
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wird in einer Sondergruppe "Aberglaube und
Wissenschaft" das Verständnis für die Art wissenschaftlicher Arbeit erschlossen und
gezeigt, wie von der Wissenschaft viele Dinge, die im Volksglauben lebendig sind, mit ihren
Methoden angepackt werden und wie das Gute und Bleibende herausgeholt und gesichert
wird.Herausgegriffen aus der Fülle der Aufgaben, die der Hygiene gestellt sind, wird zum Schluß noch eine der bedeutsamsten, der
16. Schutz gegen Krankheiten
Hier kann eine Gegenüberstellung der Geschichte und der Neuzeit die besondere Lage des heutigen Menschen klären, denn uns bedrohen heute andere Krankheiten als die Menschen vor einigen Jahrhunderten. Die Abteilung würde dann zu zeigen haben, was der Einzelne tun kann, um sich vor Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten, Grippe, ansteckenden Kinderkrankheiten, Pocken, Typhus, Tollwut, ansteckenden Wurmkrankheiten usw. zu schützen. Hierher gehören die Fragen der Konstitution und Ansteckung, des Einflusses der Lebensweise, des Alters usw., der besonderen Schutzbedürftigkeit und Schutzmöglichkeit in bestimmtem Alter und verschiedenen Lebenslagen.
B. Gesundheitspflege in deutschen Ländern und Städten Hier werden die Hüter der Volksgesundheit zeigen, welche Einrichtungen und Organisationen sie geschaffen haben, wie sie durch Förderung der Leibesübungen, Freiflächen-Politik, Erziehung in Schulen und Volkshochschulen, durch Schulneubauten, durch Wasserversorgung, durch Verkehrshygiene usw. den Gesundheitszustand der Bevölkerung erhalten und heben wollen.
C. Eine Auslands-Abteilung
wird dem Besucher vergleichenden Überblick darüber geben, wie der Gesundheitszustand in den verschiedenen Ländern ist und wie man sich überall in der Welt bemüht, ihn zu bessern. Gerade von der Auslands-Abteilung der Hygiene-Ausstellung 1911 gingen
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sehr wertvolle Anregungen
aus, derselbe Erfolg darf auch diesmal erwartet werden, denn was hier Besonderes zu sehen
sein wird, sind nicht nur die Auswirkungen des Krieges und seiner Nachwehen, sondern auch
die Fortschritte der Gesundheitspflege, wie sie in der Arbeit der Hygiene-Sektion des
Völkerbundes und der ganzen Welt zu verzeichnen sind.Inhalt und Form
Die räumliche Gliederung der Ausstellung ist zu einem großen Teil gegeben durch die Einbeziehung des Deutschen Hygiene-Museums, das insbesondere die einleitenden, den Menschen im engeren Sinn darstellenden Gruppen beherbergen wird. Hier wie in der übrigen Ausstellung wird der gedankliche Aufbau, den das beigegebene Schema noch deutlicher zu machen sucht, auch in der räumlichen Anordnung so zum Ausdruck kommen, daß der Besucher wie an einem roten Faden durch die Ausstellung geleitet wird. Diesem Zweck muß auch die Form dienen, in die der Inhalt gefaßt wird. Soweit irgend möglich, soll diesmal nicht, wie es sonst die Regel ist, ein buntes Vielerlei von Gegenständen in den verschiedensten Aufmachungen, oft ohne deutlichen inneren Zusammenhang, geboten werden, sondern der Qualitäts-Gedanke soll auch das äußere Erscheinungsbild beherrschen und ein neuer Typ von Ausstellung soll geschaffen werden, der der ganzen Art, in der das Museum arbeitet, entspricht. Nicht lückenlose Vollständigkeit, sondern das pädagogisch Wichtige und Wesentliche soll gezeigt werden. Zu diesem Zwecke sollen in den Werkstätten des Hygiene-Museums, die sich seit vielen Jahren diesen Sonderaufgaben widmen, die Ausstellungsgruppen einheitlich durchgearbeitet werden, um das durch die Mitarbeit berufener Fachleute gewährleistete wissenschaftliche Niveau auch in der Durcharbeitung und formalen Gestaltung des Stoffes zu erreichen. Nicht der Vergnügungspark, nicht die Masse und die von außen herangetragene Sensation sollen den Ausschlag geben, sondern wie im Jahre 1911 soll es der Gegenstand der Ausstellung selbst sein, der in immer neuer Abwandlung die Besucher anzieht und fesselt.
Die Beteiligung der Industrie wird ihrer Bedeutung wegen in einer besonderen Denkschrift behandelt werden.
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Druck von C. C. Meinhold & Söhne, G. m. b. H.,
Dresden-A. 1