Document no. 440
Müller, Joseph to Pacelli, Eugenio
Cuchenheim, 04 January 1925

Hochwürdigster Herr Nuntius!
In tiefem Schmerze gestatte ich mir, Ihnen folgendes mitzuteilen: Am Neujahrstag, nachmittags gegen 6 Uhr, wurde meine Schwester, eine Dame von annähernd 40 Jahren, die, wie ich fest überzeugt bin, ihr Leben lang ihre Unschuld sich bewahrt hat und die die Tage ihres Lebens in Gebet und stiller Arbeit verbracht hat, auf offener Straße, kaum 100 Schritt von der Wohnung, von 3 marokkanischen Soldaten aus Euskirchen überfallen, zu Boden geschlagen, aufs schändlichste mißhandelt und auf bestialische Weise vergewaltigt.
Nur mit Aufbietung aller Kräfte gelang es ihr, als die Unholde von ihr gelassen, sich nach Hause zu schleppen. Bleich wie eine Leiche, verstört wie eine Irrsinnige, zitternd an allen Gliedern, mit Schmutz überladen, mit Blut überströmt, mit Beulen und Wunden bedeckt, blutig zerkratzt und zerbissen brach sie an meiner Haustüre zusammen und liegt seitdem schwer erkrankt darnieder. Nach der amtlichen Bescheinigung des Arztes ist sie infolge der unmenschlichen Misshandlung körperlich und seelisch ganz zusammengebrochen und es ist zu befürchten, daß ihr Nervensystem erschüttert bleibt, solange sie lebt.
Ich bin der festen Überzeugung, daß auch Sie, Hochwürdigster Herr Nuntius, wie jeder anständig denkender Mensch, die Schandtat dieser 3 Wüstlinge aufs schärfste verurteilen und ich wende mich mit der innigsten Bitte an Sie, Ihren ganzen Einfluss geltend zu machen, daß diese bestialische Tat entsprechend geahndet wird und daß das katholische Rheinland doch bald von der schmachvollen Besetzung durch die heidnischen Afrikaner, die wie die wilden Tiere hier hausen, befreit werde.
In tiefster Ehrfurcht:
Joseph Müller, Pfarrer.
Recommended quotation
Müller, Joseph to Pacelli, Eugenio from 04 January 1925, attachment, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', document no. 440, URL: www.pacelli-edition.de/en/Document/440. Last access: 07-05-2024.
Online since 24-06-2016.