Document no. 5273
Müller, Johann Evangelist (Johannes Erik) to Pacelli, Eugenio
Munich, 29 October 1922

Euere Exzellenz
gestatte ich mir ehrerbietigst zu ersuchen, meine dringliche demütige Bitte um Absehen von meiner Berufung unter Hinweis auf folgende Bedenken nach Rom gütigst leiten zu wollen:
1 1) Ich bin für die Seelsorge im einfachen Volke, am besten in meinem lieben Bayern geschaffen, nicht aber für den Verkehr in hohen Kreisen und diplomatische Dienste, die mit dieser Stelle verbunden wären. Der weite Kreis der Caritas ist mein Arbeitsfeld.
2 2) Meine Sprachkenntnisse sind sehr mangehaft und für diesen Posten
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ganz ungenügend. Das Italienische spreche ich nur wenig; es fehlt mir die Übung in der Konversation. Ich habe es in Rom sehr wenig gesprochen u. seit 11 Jahren gar nicht mehr. Das Französische kann ich nicht besser sprechen als jeder nächstbeste Priester der Erzdiözese, wir haben es nur in der Jugend grammatikalisch erlernt, aber nie praktiziert und im Umgang geübt. Auch im Gebrauch des Latein fehlt mir Übung und Gewandtheit.
3 Die Sprachen, namentlich auch Schwedisch zu erlernen und gewandt zu sprechen, dürfte mir sehr schwer fallen, da leider mein Gedächtnis infolge jahrelanger stets
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unruhiger hartiger Arbeit nervös geschwächt ist und ich mir Wörter und Sachbezeichnungen nur sehr schwer merken kann.
4 3) Auch gesundheitlich bestehen einige Bedenken, da ich zu Verkältungen und Rheumatismus neige und etwas nervöses Herzleiden habe.
Hätte die S. Congr. ein besseres Bild meiner Schwächen und Mängel gehabt, so wäre sicher ein anderer würdigerer, geeigneterer und vor allem sprachgewandter Priester von Anfang an gewählt worden.
Ich selbst bin von der Angelegenheit völlig überrascht. Hätte ich eine Ahnung gehabt oder wäre gefragt worden, hätte ich in demütig-
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ster Ehrfurcht aber mit aller Entschiedenheit mich sogleich dagegen ausgesprochen.
Ich bitte nun die S. Congr. ehrfurchtsvollst von meiner Person absehen zu wollen u. mich in meiner Stellung gnädig zu belassen.
5 Nur wenn die Päpstliche Kurie trotz dieser Bedenken, die sie würdigt, auf ihrem Vorhaben beharrt, könnte ich in meiner Berufung den Ruf Gottes erkennen, mich beruhigen und der Stimme meiner Kirche als ihr ergebener Sohn vertrauensvoll u. mit Hingabe folgen.
Genehmigen Exzellenz den Ausdruck meiner besonderen Verehrung, mit der in tiefster Ehrfurcht zeichnet
Euerer Exzellenz
ehrerbietigst gehorsamt
Msgr. Dr. Johann Ev. Müller
Canonicus
1Am linken Rand hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "1) Si dice specialm. atto per la cura di anime del semplice popolo; non per la diplomazia come la comporta l'altro officio".
2Am linken Rand hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "2) La conoscenza delle lingue è deficiente".
3Am linken Rand hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "Imparare ancora lo svedese sarà molto difficile non avendo neppure molta memoria".
4Am linken Rand hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "3) La salute non è tanto buona e prende facilmente raffreddori e reumatismi. Soffre anche di un pò di mal di cuore nervoso".
5Am linken Rand hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, notiert: "Se la S. Congr. non ostante insiste si sottometterà".
Recommended quotation
Müller, Johann Evangelist (Johannes Erik) to Pacelli, Eugenio from 29 October 1922, attachment, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', document no. 5273, URL: www.pacelli-edition.de/en/Document/5273. Last access: 02-05-2024.
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