Document no. 579
Schreiber, Christian to Pacelli, Eugenio
Bautzen, 16 August 1929

Exzellenz!
Zur eingehenderen Orientierung gestatte ich mir, meinem Schreiben vom 14. d. M. noch folgende Ergänzungen hinzuzufügen:
ad 1[.] Die Beschreitung des Rechtsweges, für den Fall daß ein kommender Sächsischer Landtag die Staatsleistungen an die kleine katholische Minderheit in Sachsen erheblich kürzt oder gar ablehnt, wird sehr kostspielig sein und in anbetracht der schlechten Finanzverhältnisse des Staates Sachsen vielleicht auch beim obersten Gericht zu einer Kürzung der Staatsleistungen in Sachsen an die katholische Kirche führen. Auf alle Fälle wird die Ablösung selber nicht so günstig ausfallen, wie es in dem Vertragsentwurf jetzt vorgesehen ist. Wir hatten nämlich z. Z. den Vorteil, daß wir ein uns durchaus wohlwollend gesinntes Ministerium hatten. Ob jemals ein Ministerium gleichen Wohlwollens uns bei den Ablösungsverhandlungen gegenüber stehen wird, ist fraglich.
Auch ist zu beachten, daß der jetzige Ablösungsentwurf uns die Möglichkeit gibt, die Verwaltungsstelle in Dresden, die trotz der durch meine Verhandlungen mit dem damaligen Sächsischen Ministerium von einem staatskirchlichen Konsistorium und Vikariat bewirkten Umwandlung in eine kirchliche Verwaltungsstelle ohne Sitz und Stimme, zu einem reinen Referentenkollegium doch noch unter einem gewissen staatlichen Einfluß stand, vollständig abzubauen bezw. an das Ordinariat nach Bautzen in einigen ihrer Beamten zu verlegen, was von großer Bedeutung für die Vereinheitlichung der Ordinariatsverwaltung wäre.
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ad 2. Die Ermächtigung durch den Hl. Stuhl habe ich mir so gedacht, daß der Hl. Stuhl diese Ermächtigung direkt Eurer Exzellenz als dem Apostolischen Nuntius in Deutschland ausstellen würde mit der Massgabe, daß Eure Exzellenz die Vollmacht hätten, mir eine Untermächtigung [sic] zu geben, und mit der weiteren Massgabe, daß das Päpstliche Ermächtigungsdokument zu den Akten der Sächsischen Staatsregierung niedergelegt würde.
Wenn dieser Weg dem Hl. Stuhl genehm wäre, hätten wir den Vorteil, eine mit Sicherheit zu befürchtende dauernde Mißstimmung der Sächsischen Staatsregierung und ihrer Organe zu vermeiden.
Indem ich erneut die Entscheidung pflichtgemäß ganz in die Hände des Hl. Stuhles lege, verbleibe ich in tiefster Verehrung und herzlicher Liebe
Eurer Exzellenz
ganz ergebenster
(gz.) + Christian Schreiber,
Bischof von Meißen.
Recommended quotation
Schreiber, Christian to Pacelli, Eugenio from 16 August 1929, attachment, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', document no. 579, URL: www.pacelli-edition.de/en/Document/579. Last access: 03-05-2024.
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