Document no. 6389
Schreiber, Christian to Pacelli, Eugenio
Bautzen, 02 March 1929
Der unter dem 28. Februar 1929 an mich gerichteten Aufforderung entsprechend beeile ich mich, mein Urteil über den Hochwürdigsten Herrn Dr. Paul Steinmann, Päpstlicher Hausprälat, Fürstbischöflicher Kommissar und Propst in Stettin, so wie ich es vor Gott verantworten zu können glaube, in Hinsicht auf dessen etwaige Bestellung zum Weihbischof und später Bischof von Berlin auszusprechen.
Die persönliche Bekanntschaft mit Herrn Dr. Paul Steinmann habe ich in Rom gemacht, als er, zur Zeit meines Studiums im Collegium Germanicum, an der Anima in Rom studierte. Das war in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Schon damals hat Herr Paul Steinmann auf mich einen sehr günstigen Eindruck gemacht.
Von da ab bin ich mit Herrn Dr. Paul Steinmann persönlich nicht mehr zusammengekommen. Ich habe aber ihn interessiert im Auge behalten, sodass seine Tätigkeit in verschiedenen Seelsorgs- und Amtsstellen des Bistums Breslau mir gut bekannt ist. In dieser ganzen Zeit habe ich von Herrn Dr. Paul Steinmann nach der persönlichen und seelsorglichen Seite hin nur Gutes gehört. Die einzige
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Ausnahme bildet eine
durch Herrn Militärpfarrer Dr. Schwamborn in Berlin in privatem Gespräch mir vorgetragene
Anklage, wonach Herr Dr. Paul Steinmann in Angelegenheiten von Militärseelsorgern wiederholt
in Konflikt geriet und, wie Herr Dr. Schwamborn sich ausdrückte, ein herrisches Wesen
offenbarte. Diese Anklage glaubte ich aufgrund der Eigenschaften des Anklägers nicht in
allen Stücken als berechtigt annehmen zu sollen.Mein Gesamturteil ist dieses: Ich halte Herr Dr. Paul Steinmann alles in allem genommen für sehr geeignet, den ihm etwa zugedachten Posten eines Weihbischofs (und später Bischofs) von Berlin zu bekleiden. Er wird nach meiner Ueberzeugung für diesen Posten folgende Eigenschaften mitbringen: treukirchlichen Sinn, starke Arbeits- und Tatkraft, grosse Erfahrung sowohl in Berlin, wo er längere Zeit gewirkt hat, wie auch im Delegaturbezirk, ein besonderes Verständnis für die schwierigen Aufgaben der Diaspora, gewandte Umgangsformen und eine bemerkenswerte Repräsentationsfähigkeit.
Wie er sich im Umgang mit den Mitpriestern gezeigt und erprobt hat, entzieht sich meiner näheren Kenntnis. Doch habe ich auch in dieser Hinsicht wenigstens nichts Nachteiliges gehört.
Auch über seine gesundheitlichen Verhältnisse bin ich nicht näher unterrichtet. Ich nehme aber an, dass er trotz seiner 57 oder 58 Jahre sehr rüstig und gesund ist, da er auf dem sehr arbeits-
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reichen Posten in
Stettin bis auf den heutigen Tag, wie ich von anderer Seite gehört habe, ganz seinen Mann
gestellt hat.Die Gelegenheit benutzend, gestatte ich mir, Eurer Excellenz das kurze Hirtenwort andurch zu schicken, das ich zur Lösung der römischen Frage an Klerus und Volk des Bistums Meissen gerichtet habe.
Mit herzlichen Grüssen verbleibe ich in tiefer, aufrichtiger Verehrung und Wertschätzung
Eurer Excellenz
ganz ergebenster
+Christian Schreiber,
Bischof von Meissen.