Document no. 6545
Der Kampf des Polentums gegen die kirchliche Autorität im Ermland, in: Allensteiner Volksblatt, Nr. 78, S. 1 f., 02 April 1920
„Das neue Schauturnen der weiblichen Jugend ist ein Verstoß gegen das Empfinden und die christlichen Sitten unserer Kultur und unseres Volkes. Keine geschichtliche Erinnerung und kein Verweis auf die Ueberlieferung anderer Völker kann diesen Verstoß rechtfertigen.
Was gerade die neuere Zeit und die Gepflogenheiten anderer Völker, auf die man sich beruft, anlangt, so ist diese plötzliche und geschäftige Ausländerei mindestens sonderbar in Italien, wo das faschistische Regime sich als den eifersüchtigen Hüter der Eigenart der lateinischen Kultur aufspielt. Jedenfalls aber ist es falsch, daß der weibliche Sport bei öffentlichen Schaustellungen unter den Angelsachsen „in hohem Ansehen steht und sehr populär ist“. Der katholische Episkopat hat überall seine offene und unnachgiebige Gegnerschaft kundgegeben, und dabei die Zustimmung aller derer gefunden, die noch Sinn für Schicklichkeit und christliche Sittsamkeit haben.
Es ist bekannt, daß die Römer das Auftreten von Frauen, gleichviel ob bewaffnet oder unbewaffnet, nicht kannten und nicht zuließen. Um aus der heidnischen Zeit ein Beispiel zu finden, müßte man nach Griechenland, und zwar in die am meisten entarteten Städte gehen. Da ist es nicht zu verwundern, wenn das Schauturnen der weiblichen Jugend vom vergangenen Frühjahr die Mißbilligung der großen Mehrheit der Bevölkerung Roms gefunden hat und im Widerspruch stand zu den Meinungen über die weibliche Erziehung, die vom Haupte der Regierung und von dem nämlichen Onorevole Turati ausgegangen sind, der sich jetzt zum Förderer dieser Schaustellungen macht. Nicht zu verwundern ist es, wenn die Veranstaltung des neuen Schauturnens – sofern wir richtig unterrichtet sind – im Schoße der Kabinettssitzung vom 30. Oktober von maßgeblicher Seite einen Protest hervorrief, der die Zustimmung aller Mitglieder des Kabinetts fand. Neben und über diesen Erwägungen und Gründen steht aber das Wort des Heiligen Vaters, das für sich allein genügt, unsere entschiedene Gegnerschaft, in der die Ablehnung aller katholischen Italiener zum Ausdruck kommt, zu rechtfertigen.“
Der „Osservatore“ erinnert an das Schreiben Pius XI. an Kardinal Pompilj, in dem der Papst bedauerte, daß man im christlichen Rom eine Veranstaltung treffe, die selbst das heidnische Rom nicht gewagt habe. Es hieß weiter darin, wer immer noch von der Gesinnung Christi erleuchtet sei, müsse sich dem Einspruche anschließen, den der Papst als erster unter den Hütern des neuen Jerusalems nicht unterlassen dürfe. Der Papst verwies darauf, daß trotz aller Vorsichtsmaßregeln „die Natur der Dinge immer die gleiche bleibt, mit dem erschwerenden Umstand der geschichtlichen Vergangenheit und des Ortes“. Es bleibt bestehen der scharfe Gegensatz zu den besonderen zarten Forderungen der weiblichen Erziehung, die unendlich zarter und beachtenswerter sind, wenn diese Erziehung eine christliche sein will.
„Niemand“, so fuhr der Brief fort, „kann daran denken, daß diese (die christliche Erziehung) alles das ausschließe oder geringer werte, was dem Körper, diesem edlen Werkzeug der Seele, Gelenkigkeit und Anmut, Gesundheit und wahre Kraft zu verleihen vermag. Nur muß es in der gehörigen Art und Weise, am gehörigen Orte und zu gehöriger Zeit geschehen. Nur muß man dabei alles vermeiden, was sich schlecht vereinbaren läßt mit der Zurückhaltung und Eingezogenheit, die eine Zierde und ein Schutz der Tugend sind. Nur muß alles fern bleiben, was der Eitelkeit oder der Gewalttätigkeit Vorschub leisten könnte.“
„Diese Mahnungen,“ so fährt der „Osservatore“ fort, „gelten auch heute noch und werden um so ernster und eindringlicher wiederholt, weil es scheint, daß man offen zur Schau tragen wolle, man habe sie entweder überhaupt nicht beachtet oder vergessen. Wir erklären daher, daß es für einen Staat, der, wie man so oft wiederholt hat, ein katholischer Staat ist und sein will, und auf alle Fälle für ein katholisches Volk, wie es das italienische Volk ist, nicht angeht, das oberste Lehramt des Papstes über das, was er als für die sittliche Erziehung streng maßgeblich erklärt, unbeachtet zu lassen, und folglich die Geltung seiner Weisungen und den ihnen gebührenden Gehorsam zu verneinen. Diese Ehrerbietung und diesen Gehorsam verlangen wir und hoffen, ja hegen die Zuversicht, daß alle Bischöfe und Pfarrer Italiens das entschiedene und sorgenvolle Wort des Papstes sich zu eigen machen und demselben bei allen ihren Gläubigen bei allen Familien und dem ganzen christlichen Volke ein lautes Echo verschaffen.“