TEI-P5
Document no. 8467
[Abschrift]
In der allgemeinen Unterhaltung mit Msgr. Marchetti kam das Gespräch auch auf die
letzten Ereignisse in Jerusalem. Die Stelle, in der der Kardinalvikar von Rom in seinem
Aufruf an die Römer von der Billigkeit und der Gerechtigkeit der Engländer spricht, sei, so
bemerkte ich, wohl als eine captatio benevolentiae für England aufzufassen. Marchetti
verneinte dies. Die Worte seien ehrlich gemeint. Die Kirche hätte in dem weiten englischen
Kolonialreiche wichtige Interessen der katholischen Missionen wahrzunehmen. In den letzten
Jahren zeigten sich die Engländer auf diesem Gebiete sehr entgegenkommend. Sie bereiteten
den Missionen nicht nur keine Hindernisse, sondern sie gestatteten bei ihnen sogar die
Verwendung fremder Staatsangehöriger. Jerusalem würden die Engländer niemals herausgeben.
Sie wüssten sehr wohl, dass mit Jerusalem eine moralische Macht in ihre Hand gegeben sei,
die ihr Ansehen in der Welt noch mehr erhöhte und sie würden es verstehen, diese Macht ohne
nationale Engherzigkeit zu gebrau-
gez. Mühlberg
Online since 17-06-2011.
Document no. 8467
Mühlberg, Otto von
to Hertling, Friedrich Georg Graf von
Lugano, 29 December 1917
24v
chen. Auf die hingeworfene
Bemerkung, dass, falls die Waffen nicht inzwischen noch anders entschieden, man eine
Internationalisierung Jerusalems sich vorstellen könnte, ging Marchetti nur so lau ein, dass
ich den Eindruck gewann, man wolle im Vatikan mit der Macht Englands rechnen und habe sich
mit dem Gedanken abgefunden, Jerusalem bleibend in englischen Händen zu sehen.gez. Mühlberg