Document no. 8493
Hertling, Friedrich Georg Graf von to Hartmann, Felix von
Großes Hauptquartier Berlin, 13 April 1918
Euerer Eminenz beehre ich mich auf das gefällige Schreiben vom 2. d. M. zu erwidern, dass die Kaiserliche Regierung in voller Würdigung der von Euerer Eminenz vom christlichem wie vom deutschen Standpunkt geäußerten Besorgnisse andauernd die Entwicklung der armenischen Frage mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt.
Als nach Abschluss des Waffenstillstandes von Brest-Litowsk die Möglichkeit einer Räumung der damals von den Russen besetzten ostanatolischen Provinzen näher rückte, hat sich die Kaiserliche Regierung sofort mit der türkischen Regierung wegen der Frage der Behandlung der Armenier in Verbindung gesetzt, und eindringlichst darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass beim Einmarsch der türkischen Truppen in die von den Russen geräumten Gebiete Ausschreitungen gegen die armenische Bevölkerung vermieden und dass von vornherein die Grundlagen für friedliche Verhältnisse zwischen den christlichen und mohammedanischen Elementen geschaffen würden. Hierbei hat sich die Kaiserliche Regierung nicht auf allgemeine Vorstellungen beschränkt, sondern der Pforte bestimmte Vorschläge gemacht, wie weiteres Blutvergießen zu verhindern sei und friedliche Zustände hergestellt werden könnten. So hat sie namentlich geraten,
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die strengste Manneszucht unter den einrückenden Truppen aufrecht zu erhalten, die armenischen Banden zur freiwilligen Unterwerfung aufzufordern, ihnen, wenn sie dieser Aufforderung Folge leisten, Amnestie zu gewähren, bei der beabsichtigten Hilfsaktion für die ostanatolischen Provinzen gleichmäßig die Armenier und die Mohammedaner zu berücksichtigen, ferner auch die Zurückführung der nach dem Innern des Reichs Ausgesiedelten, die sich bei den jetzigen Transportschwierigkeiten allerdings kaum durchführen lässt, wenigstens zu beschließen und einzuleiten. Diesen Vorstellungen gegenüber hat sich die türkische Regierung durchaus zugänglich gezeigt. Nach den bündigen Erklärungen, die der Großwesir, der Minister des Äußern und sein Vertreter den deutschen amtlichen Stellen gegenüber abgegeben haben, ist man zu dem Vertrauen berechtigt, dass die türkische Zentralregierung zur Milde gegen die Armenier entschlossen ist, die unbeteiligte Bevölkerung nicht für die Untaten der Banden verantwortlich machen und ähnliche Vorgänge, wie sie sich im Jahre 1915 abgespielt haben, zu verhüten wissen wird. Immerhin erfordert die Lage bei dem alten Hass zwischen den verschiedenen Bevölkerungselementen fortwährende Wachsamkeit.Mit der Versicherung ausgezeichnetster Hochachtung
Euerer Eminenz ganz ergebener
gez. Graf Hertling.