Document no. 8636
Ellert, Juliusz Aloizy to Michalkiewicz, Kazimierz Mikołaj
Vilnius, 06 March 1917
Meinen Antrag an die Diözesenverwaltung betreffend den Militärgottesdienst in der mir zuständigen St. Johanneskirche hat nur die Tatsache veranlasst, dass in den letzten Zeiten sehr geringe Zahl von Militärpersonen den Gottesdienst in der genannten Kirche besuchte, sodass wiederholt sogar die Predigt ausfallen musste und ferner die Tatsache, dass außer der Romanow-Kirche noch die Marienhimmelfahrtskirche von den Militärbehörden für den katholischen Gottesdienst ausersehen, und wie ich dachte, dauernd als katholisches Gotteshaus für die Abhaltung des Militärgottesdienstes in Anspruch genommen wurde.
Was aber die Schwierigkeiten angeht, die aus dem Mitgebrauch der Kirche von der Militärgemeinde in der Ausübung der Seelsorge für die Zivilgemeinde entstehen, und die in der beiliegenden Abschrift des Schreibens des Armeeoberkommando 10 vom 17. II. 17 Nr. 13338 [sic] erwähnt worden, habe ich und meine Gemeinde, um der Militärgemeinde entgegenzukommen, uns stets denselben auf das bereitwilligste unterzogen. Die Gottesdienstzeit und Ordnung wurde der Zeit des Militärgottesdienstes angepasst, die bereits dreimal gewechselt hat: 9 1/2, dann 8 zuletzt 9 Uhr vormittags – die Votivmesse in der Fronleichnamskapelle wurde vollständig aufgehoben, der Schulkindergottesdienst wurde wiederholt und andere Stunden verlegt. Es wurde alles gemacht, um beiden Seiten genug zu tun. Erst im April des vergangenen Jahres hat die Mitnutzung der Kirche auf größere Schwierigkeiten gestoßen. Den Anlass dazu gab das außerordentlich rücksichtslose Benehmen des Herrn Etappenpfarrers Albert der
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Ortsgeistlichkeit, den Kirchendienern und den die Kirche besuchenden Zivilpersonen gegenüber. Die letzten wurden aus der Sakristei gewiesen, und die sie begleitende Lehrerin von der Kirchentür zurückgehalten. Es kam dazu, dass der Ortsgeistliche Araszkiewicz, der dem Kindergottesdienste beiwohnen sollte, vor den Kirchendienern, den den Herrn Etappenpfarrer begleitenden Soldaten und den Kindern von dem letzteren aufs unhöflichste angestoßen und mit der Faust angedroht wurde.Am Feste der Himmelfahrt des vergangenen Jahres erlaubte sich der Herr Etappenpfarrer die der Messe eines anderen Ortsgeistlichen Toloczko in einer Seitenkapelle beiwohnenden Betenden auszuweisen und die Tür der Kapelle zu schließen. Im Mai des vergangenen Jahres wurde an der Eingangstür der St. Johanneskirche eine Verordnung in deutscher und polnischer Sprache angeschlagen, wonach die Kirche während des Militärgottesdienstes geschlossen bleiben sollte. Diese Verordnung bleibt auch jetzt in Kraft. Seitdem wurden Posten an den Kirchentüren und an das Hofeingangstor gestellt, die den kommenden Zivilpersonen den Eingang in die Kirche verweigerten und diejenigen, die das Deutsche nicht verstanden, zurückstießen.
Angesichts dieser Verordnung ist das Beichthören während des Militärgottesdienstes tatsächlich unmöglich, denn das Betreten, das Durchgehen und das Verlassen der Kirche durch die Zivilpersonen ist nicht gestattet, und die Ortsgeistlichkeit und das Zivilpublikum wird außerdem durch das rücksichtslose Benehmen des Herrn Etappenpfarrers aus Furcht vor den ungewünschten Zwischenfällen von der Kirche zurückgehalten.
Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass obwohl wie für den Herrn Etappenpfarrer, so auch für den anderen amtierenden Militärgeistlichen sämtliche zur Abhaltung des Gottesdienstes notwendigen Kirchenutensilien pünktlich vorbereitet und zur Verfügung gestellt waren, der Herr Etappenpfarrer sich die Kirchenschränke und Schubladen zu öffnen, die Messgewände auszusuchen und
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am 2. Juni des vergangenen Jahres sogar das Schloss von der Schublade, wo sich mein Privateigentum befand, im Anfall der Ungeduld und des Zornes zu brechen erlaubte. Einmal ist es auch vorgekommen, dass er nicht begnügt mit dem ihm vorbereiteten Gewande, dasselbe auf den Boden warf.Was die Äußerung angeht, dass in der St. Johanneskirche unter der russischen Herrschaft der Militärgottesdienst abgehalten wurde, ist noch zu bemerken, dass es sich um einen regelmäßigen Gottesdienst hier nicht handeln kann, denn die wenigen Soldaten der Wilnaer-Garnison, die zur katholischen Konfession angehörten, besuchten den allgemeinen Gottesdienst in den Kirchen, die ihnen am entsprechendsten waren; es kommt nur in Frage die Osterbeichte die während der Fastzeit tatsächlich nur an Werktagen in der St. Johanneskirche stattfand, nicht aber in dieser Kirche allein, sondern auch in anderen, wie z. B. in der Bernhardinerkirche und St. Jakobskirche.
gez. Kanonikus Ellert
Vorstand der St. Johanneskirche Wilna,
den 6. März 1917.
Für die Richtigkeit:
Sekretär der Bischöflichen Kanzlei
gez. Unterschrift, Pfarrer.