Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte in Bayern (I. Phase der Revolution)

Kurt Eisner gründete am Abend des 7. November 1918 in einer kleinen Versammlung im Franziskaner-Bierkeller in der Au einen Arbeiter- und Soldatenrat für München. Dann zog er zum Mathäserbräu und gründete dort einen weiteren Soldaten- und einen weiteren Arbeiterrat. Zu Vorsitzenden wurden der SPD-Abgeordnete Franz Schmitt sowie Ludwig Gandorfer gewählt.
Am Nachmittag des 8. November traten die Münchener Arbeiter- und Soldatenräte im Landtag zu einer sogenannten Ersten Landtagssitzung zusammen. Eisner wurde ihr Vorsitzender und die Räte bestätigten die neue Regierung und Eisner als Ministerpräsidenten durch Akklamation. Zusätzlich wurde ein 50 Personen umfassender Revolutionärer Arbeiterrat gegründet, der die Umbildung der Gesellschaft im sozialistischen Sinn vorantreiben sollte.
Die Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte in München waren die eigentliche machtpolitische Stütze der Regierung Kurt Eisners. Als originäres Produkt der Revolution konnten sie Anspruch auf politische Mitsprache erheben. In Bayern wurden seit November 1918 ungefähr 6.000-7.000 Räteorganisationen gegründet. Allerdings besaßen sie keine einheitliche programmatische Ausrichtung und vertraten vielfältige Interessen, die oft nur von regionalem und lokalem Belang waren. Auch die Akzeptanz in und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber der Bevölkerung war ungewiss.
Als revolutionären Machtfaktor wollte Kurt Eisner die politisch unbestimmten Räte bewahren. Zumindest die Bauernräte müssten bestehen bleiben, um die Bauern von der Zentrumspartei zu lösen. Die Soldatenräte könnten mit der Zeit abgeschafft, die Arbeiterräte frühestens in einem Jahr aufgelöst werden, da durch diese der Bolschewismus in Zaun gehalten würde. Eisner präzisierte allerdings nicht, in welchem Verhältnis die Räte zur legislativen und exekutiven Gewalt oder zur Bürokratie stehen sollten.
Der Landesvorsitzende der SPD und bayerische Innenminister Erhard Auer hingegen lehnte wie die anderen Kabinettsmitglieder der SPD das Rätesystem ab und strebte eine parlamentarische Demokratie an. Auer schränkte die Vollzugsgewalt der Räte ein und sah vor, sie in der parlamentarischen Republik in Arbeiter- und Landwirtschaftskammern umzuwandeln, wodurch sie ihren revolutionären Charakter verlieren würden. Auer konnte sich schließlich am 2. Dezember 1918 gegen Eisner durchsetzen, der sich zum Versprechen der Regierung, so rasch wie möglich eine Nationalversammlung abzuhalten, stellen musste.
Am 13. Dezember 1918 trat dennoch ein Provisorischer Nationalrat zusammen. Dieser bestand aus 256 Vertretern aus den Räten, Parteien und Standesorganisationen und wurde durch die Mitglieder der Räte dominiert. Der Einfluss des Nationalrats blieb allerdings gering, vornehmlich, da der Allgemeine Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands am 16. Dezember in Berlin die Exekutivgewalt an die Reichsregierung unter Friedrich Ebert überstellte.
Nach der verheerenden Niederlage bei den Landtagswahlen vom 12. Januar 1919 konnte sich Kurt Eisner als Ministerpräsident nur noch auf die Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte stützen. Doch auch bei diesen bröckelte die Unterstützung für seine Politik. Schließlich hatten sie durch den frühen Wahltermin für die Landtagswahlen, den Erlass restriktiver Räterichtlinien und die Bürgerwehraffäre Rückschläge hinnehmen müssen, wogegen die die gewünschten sozialistischen Reformen ausgeblieben waren. Das führte zu einer Radikalisierung des linken Flügels und zur Fragmentarisierung der Räte.
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Recommended quotation
Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte in Bayern (I. Phase der Revolution), in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 1053, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/1053. Last access: 21-12-2024.
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