Konkordat mit Bayern von 1817

Erste Konkordatsverhandlungen zwischen dem neuen Königreich Bayern und dem Heiligen Stuhl scheiterten zwischen 1806 und 1809 an der päpstlichen Forderung, den Lutheranern und Protestanten in Bayern die Parität, also die Aufteilung der Herrschaft zwischen Katholiken und Protestanten, zu verweigern und Mischehen nicht zuzulassen.
Nach dem Wiener Kongress 1815 bot die bayerische Regierung erneut Konkordatsverhandlungen an. Sie beauftragte den greisen bayerischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Johann Kasimir Freiherr von Häffelin, Titularbischof von Chersonnes, einen Vertragsentwurf vorzulegen, der lediglich die Anpassung der Diözesan- an die neuen Landesgrenzen beinhaltete. Der römische Gegenentwurf hingegen zielte auf die Aufhebung des bayerischen Staatskirchenrechts und forderte unter anderem den Verzicht auf das Nominationsrecht des bayerischen Königs für die Besetzung der Bischöfe. Häffelin unterzeichnete am 5. Juni einen Vertragstext, der die von der bayerischen Regierung geforderten Nachbesserungen – für sie war das Nominationsrecht eine conditio sine qua non –, nicht enthielt. Graf Xaver Rechenberg konnte als zweiter Unterhändler in Rom den Vertrag nachbessern und unter anderem das Nominationsrecht des Königs durchsetzen. Am 24. Oktober 1817 unterzeichnete König Max I. Josef das Konkordat.
Artikel I beinhaltete die Geltung des kanonischen Rechts für Bayern einschließlich seiner protestantischen Landesteile. Durch Artikel II wurden die Diözesen Bayerns an die Staatsgrenzen angepasst. Der bayerische Wunsch nach einem einzigen bayerischen Erzbischof wurde nicht erfüllt, da die Kurie ein "gallikanisches Bayern" und einen Metropolitan als "Primas von Bayern" vermeiden wollte. Es wurde die Münchener Kirchenprovinz geschaffen mit den Suffraganbistümern Augsburg, Passau und Regensburg sowie die Bamberger Kirchenprovinz mit den Suffraganbistümern Würzburg, Eichstätt und Speyer.
Als Entschädigung für die Verluste durch die Säkularisation übernahm das Königreich Bayern die Dotierung der Erzbischöfe, Bischöfe und der Mitglieder der Domkapitel. Darüber hinaus stellte es Gebäude für die Diözesanverwaltungen zur Verfügung und unterstützte Knaben- und Priesterseminare sowie Altersheime für greise Priester (Art. III-VI). Durch Artikel VII sagte der König zu, einige Orden, die in der Säkularisation aufgehoben worden waren, wiederherzustellen. Artikel VIII garantierte den ungestörten Kirchenbesitz. In Artikel IX wurde dem König das Recht der Nomination der acht bayerischen Bischöfe zugestanden. Der Papst setzte den Bischof anschließend kanonisch in sein Amt ein (Institution). Artikel X gab dem König das Nominationsrecht für die Domdekane und Domkanoniker in den sechs ungeraden (päpstlichen) Monaten. Artikel XI übertrug das traditionelle landesherrliche Patronat auf den König, der das Präsentationsrecht für erledigte Pfarreien erhielt. Im Gegenzug wurde den Erzbischöfen und Bischöfen in Artikel XII die freie Leitung der Diözesen zugesichert. Nach Artikel XV mussten die Bischöfe dem König allerdings einen Treueid leisten.
Mit dem Nominationsrecht, dem Präsentationsrecht und dem Bischofseid hatte der bayerische König wesentlich größeren Einfluss bei der Besetzung von kirchlichen Ämtern als dies in den anderen deutschen Staaten im 19. Jahrhundert der Fall war. Das Nominationsrecht des Königs bzw. des Prinzregenten wurde zu Recht als "eine juristische Fiktion" bezeichnete (GREIPL, Am Ende der Monarchie, S. 288), da die Entscheidungen vor allem im zuständigen Kultusministerium getroffen wurden. Doch auch die Position der Katholischen Kirche in Bayern wurde durch die freie Eigenverwaltung und organisatorische Entwicklung, den staatlichen Schutz, die staatliche Dotierung der Kurien und die Garantie des Besitz- und Erwerbsrecht gestärkt. Darüber hinaus schrieb Artikel XVI vor, dass alle staatlichen Gesetze, Verordnungen und Verfügungen, die gegen das Konkordat verstießen, aufgehoben werden sollten. Alle im Konkordat nicht aufgeführten kirchlichen Angelegenheiten sollten nach Artikel XVII ausschließlich nach der Lehre und Ordnung der Kirche behandelt werden. Artikel XVIII legte fest, dass der König das Konkordat als Staatsgesetz verkünden werde.
Vor allem die Artikel I, XVI und XVII führten zu heftiger Kritik durch die bayerischen Gegner des KonkordatS. Nach strikter Auslegung des Vertragstextes galt das kanonische Recht in allen Bereichen, die nicht im Konkordat genannt waren. Die konsequente Durchsetzung dieses Artikels hätte zum einen faktisch die Aufhebung des bisherigen bayerischen Staatskirchenrechts und zum anderen die Aufhebung der Parität im Königreich Bayern bedeutet. Dies führte bereits bei Unterzeichnung des Konkordats zur Mentalreservation des Königs, der davon ausging, dass die staatlichen Hoheitsrechte durch einen Vertrag mit der Kurie nicht eingeschränkt werden könnten. In Folge erließ König Max I. Josef am 17. Juni 1818 einseitig ohne Absprache mit dem Heiligen Stuhl ein "Edikt über die äußeren Religionsverhältnisse der Einwohner des Königreichs Bayern", das sogenannte Religionsedikt, als Beilage zur neuen bayerischen Verfassung und am 7. November des Jahres eine diesbezügliche Erklärung. Dadurch wurde die bisherige Politik der Toleranz und Parität gegenüber dem Luthertum und den Protestantismus bestätigt. Als Beilage zur Verfassung war das Religionsedikt dem Konkordat übergeordnet. Letzteres wurde am 22. Juli 1818 als einfaches Gesetz dem Religionsedikt beigefügt, um dessen Priorität anschaulich zu demonstrieren.
Mit dem Religionsedikt und dem Konkordat gingen unterschiedliche Rechtsauffassungen in die Bayerische Verfassung ein. Durch die Tegernseer Erklärung vom 15. September 1821 konnte der Konflikt zwischen der Bayerischen Regierung und dem Heiligen Stuhl über die Auslegung des Religionsedikts formal beigelegt werden. Der hier gefundene Kompromiss musste allerdings in den folgenden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts immer wieder erneuert werden.
Sources
HAUSBERGER, Karl, Staat und Kirche nach der Säkularisation. Zur bayerischen Konkordatspolitik im frühen 19. Jahrhundert (Münchener theologische Studien. Historische Abteilung 23), St. Ottilien 1983, S. 309-344.
HUBER, Ernst Rudolf / HUBER, Wolfgang (Hg.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 1: Staat und Kirche vom Ausgang des alten Reichs bis zum Vorabend der bürgerlichen Revolution, Berlin 21990 ND Darmstadt 2014, Nr. 73, S. 170-177.
Bibliography
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BUSLEY, Hermann-Joseph, Das königliche Nominationsrecht für die Bischöfe in Bayern. Studien zum bayerischen Konkordat von 1817, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 56 (1993), S. 317-339.
GREIPL, Egon, Am Ende der Monarchie 1890-1918, in: BRANDMÜLLER, Walter (Hg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. 3: Vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Zweiten Vatitkanischen Konzil, St. Ottilien 1991, S. 263-335, hier 288.
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1: Reform und Restauration 1789 bis 1830, Stuttgart u. a. 21990, S. 419-431.
MERCATI, Angelo (Bearb.), Raccolta di Concordati su Materie Ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorità Civil, Bd. 1: 1098-1914, Rom 21954, S. 591-597.
MÜLLER, Winfried, Zwischen Säkularisation und Konkordat. Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche 1803-1821, in: BRANDMÜLLER, Walter (Hg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. 3: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, St. Ottilien 1991, S. 85-129, hier 109-129.
WEIS, Eberhard, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I. (1799-1825), in: SCHMID, Alois (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Bd. 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart Teilbd. 1: Staat und Politik, München 22003, S. 3-126 hier 109-113.
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Konkordat mit Bayern von 1817, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 11044, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/11044. Last access: 21-12-2024.
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