Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Preußen

Die preußischen Mehrheitssozialdemokraten (MSPD), die vor 1918 durch das Dreiklassenwahlrecht diskriminiert worden waren, erlebten in Folge der Novemberrevolution einen massiven Aufschwung. Dies lag vor allem daran, dass die Sozialdemokratie im größten deutschen Gliedstaat und insbesondere in den großen Industriestädten ihre Hochburgen hatte. Auch hier stellte sie sich an die Spitze der revoltierenden Arbeiter und Soldaten. Am 14. November wurde ein Rat der Volksbeauftragten gebildet, der paritätisch aus Mitgliedern von MSPD und Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) besetzt war. Nachdem die USPD-Mitglieder aus Protest gegen die blutige Niederschlagung der Meuterei der Volksmarinedivision in Berlin am 29. Dezember 1918 den Rat der Volksbeauftragten des Reichs verlassen hatten, folgten ihnen am 4. Januar 1919 die preußischen Volksbeauftragten der USPD. Bis zum 25. März 1919 regierte die MSPD allein und nahm die streng laizistischen Gesetze und Verordnungen des Volksbeauftragten für Wissenschat, Adolph Hoffmann (USPD), zurück.
Die eigentlich unitarisch ausgerichtete MSPD entschied sich aus pragmatischen Gründen dazu, ein demokratisches Preußen in einem föderalistischen Reich zu erhalten. Am 26. Januar fanden Wahlen zur Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung statt, aus denen die MSPD mit 36,4 % der Stimmen bzw. 145 Mandaten als stärkste Fraktion hervorging. Nachdem die Landesversammlung am 20. März das Gesetz zur vorläufigen Ordnung der Staatsgewalt beschlossen hatte, wurde am 25. März auch in Preußen eine Weimarer Koalition aus MSPD, Deutscher Demokratischer Partei (DDP) und Zentrumspartei (Z) gebildet. Die MSPD wollte damit die Reichsregierung durch eine parallele Koalitionsbildung stabilisieren und die Regierungsverantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Ministerpräsident wurde Paul Hirsch (MSPD). Nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch wurde die Regierung am 29. März 1920 umgebildet und Hirsch wurde durch Otto Braun (MSPD) abgelöst. Am 30. November 1920 beschloss die Landesversammlung schließlich die preußische Verfassung.
Bei den ersten Landtagswahlen vom 20. Februar 1921 gewann – trotz großer Verluste – wieder die MSPD mit 25,9 % bzw. 109 Mandaten. Die Weimarer Koalition musste insgesamt Stimmeinbußen verkraften. Nach einigem Hin und Her kam zunächst am 21. April eine Minderheitenkoalition aus DDP und Zentrum zustande, die von der Deutschen Volkspartei (DVP) und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) toleriert wurde. Schnell wurde aber eine parallele Regierungsbildung im Reich und in Preußen mit einer Großen Koalition aus MSPD, DDP, DVP und Z angestrebt, die am 7. November unter Otto Braun (MSPD) gebildet wurde. In seine zweite Amtszeit fällt die Wiedervereinigung zwischen der MSPD und dem rechten Flügel der USPD.
Nach den zweiten Landtagswahlen vom 7. Dezember 1924, bei denen die SPD mit 24,9 % bzw. 114 Mandaten wieder gewann, übernahm Otto Braun nach erneutem Hin und Her und einem kurzen Intervall vom 18. Februar 1925 und dem 4. April, während dem eine Weimarer Koalition unter Wilhelm Marx (Z) regierte, das Amt des Ministerpräsidenten. Seine Weimarer Koalition überdauerte die dritten Landtagswahlen vom 20. Mai 1928, bei denen die SPD mit 29,0 % bzw. 137 Mandaten letztmalig gewann, und wurde erst durch den Preußenschlag 1932 aus dem Amt vertrieben.
Die MSPD/SPD agierte in Preußen insgesamt gemäßigter als die Reichspartei und sie war ihren Koalitionspartnern gegenüber kompromissbereiter. So kam unter den Ägiden Brauns 1929 ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Preußen zustande. Gewisse politische Erfolge konnte sie vor allem bei der Demokratisierung der preußischen Staatsverwaltung verbuchen.
Beteiligung an der Landesregierung 1918-1933
Kabinett Ministerposten
Rat der Volksbeauftragten (14. November 1918 bis 25. März 1919) Vorsitz (Paul Hirsch, bis zum 4. Januar 1919 zusammen mit Heinrich Stroebel [USPD]), Justiz (Kurt Rosenfeld, bis zum 4. Januar 1919 zusammen mit Wolfgang Heine [USPD]), Inneres (Paul Hirsch, bis zum 4. Januar 1919 zusammen mit Rudolf Breitscheid), Finanzen (Albert Südekum, bis zum 4. Januar 1919 zusammen mit Hugo Simon [USPD]), Landwirtschaft (Otto Braun, bis zum 4. Januar 1919 zusammen mit Adolf Hofer [USPD]), Wissenschaft (Konrad Haenisch, bis zum 4. Januar 1919 zusammen mit Adolph Hoffmann [USPD]), ohne Geschäftsbereich (Eugen Ernst)
Kabinett Hirsch I (25. März 1919 bis 29. März 1920) Präsidium (Paul Hirsch), Landwirtschaft (Otto Braun), Wissenschaft (Konrad Haenisch), Finanzen (Albert Südekum), Inneres (Wolfgang Heine)
Kabinett Braun I (29. März 1920 bis 21. April 1921) Präsidium (Otto Braun), Landwirtschaft (Otto Braun), Wissenschaft (Konrad Haenisch), Inneres (Carl Severing), Finanzen (Hermann Lüdemann)
Kabinett Braun II (7. November 1921 bis 18. Februar 1925) Ministerpräsident (Otto Braun), Inneres (Carl Severing), Handel (Wilhelm Sierung)
Kabinett Marx (18. Februar 1925 bis 4. April 1925) Inneres (Carl Severing)
Kabinett Braun III (4. April 1925 bis 20. April 1933) Ministerpräsident (Otto Braun [bis 25. März 1933]), Inneres (Carl Severing [bis 6. Oktober 1926], Albert Grzesinski [bis 28. Februar 1930], Heinrich Waentig [bis 22. Oktober 1930] Carl Severing [bis 25. März 1933]), Wissenschaft (Adolf Grimme [30. Januar 1930 bis 25. März 1933])
Bibliography
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Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Preußen, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 19073, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/19073. Last access: 08-10-2024.
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