Schreiben Faulhabers an Stresemann vom 6. November 1923
Der Reichskanzler hatte bereits im September 1923 mit Faulhaber Kontakt aufgenommen, da er über diesen auf die bayerische Politik dem Reich gegenüber einwirken wollte. Entgegen der politischen Intention Stresemanns verblieb Faulhaber in seinen Ausführungen weitgehend auf der moralischen Ebene. Er griff eine Formulierung des Reichskanzlers auf und bekräftigte die darin angesprochene sittliche Erneuerung des deutschen Volkes durch die Rückbesinnung auf den christlichen Glauben und dessen Wertvorstellungen. Gerade darin sah Faulhaber die einzige Möglichkeit, konfessionsübergreifend einen dauerhaften sozialen Frieden schaffen zu können. Ebenso könne das Wertegefüge des christlichen Glaubens den Gemeinschaftssinn in der Gesellschaft stärken, der gerade in der desolaten Situation der Wirtschaft stark gelitten habe. Nur so könnten die zu verurteilenden bürgerkriegsähnliche Zustände sowie Aggressionen und Übergriffe gegen Juden und andere Minderheiten unterbunden werden.
Der Kardinal äußerste ferner seine politischen Vorstellungen: Er sprach sich für eine föderalistische Struktur des Reichs, den Erhalt der Bekenntnisschulen, die Behebung der wirtschaftlichen Not und die Aussöhnung mit den Nachbarstaaten aus. Er erkannte bei aller Kritik an bestehenden Gesetzen die verfassungsmäßige Ordnung an und verwarf Revolution und Bürgerkrieg als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele.
Sources
Faulhaber an Stresemann vom 6. November 1923, in: VOLK; Ludwig (Bearb.), Akten
Kardinal Michael von Faulhaber 1917-1945, Bd. 1: 1917-1934 (Veröffentlichungen der
Kommission für Zeitgeschichte A 17), Mainz 1975, Nr. 146, S. 318.