Reichskanzler Georg Michaelis reichte am 26. Oktober sein Rücktrittsgesuch bei
Kaiser Wilhelm II. ein. Parallel dazu bat er darum, dass der Kaiser dem bayerischen
Ministerpräsidenten Georg Graf von Hertling das Amt des Reichskanzlers anbieten solle.
Hertling sei als Bayer allerdings für das Amt des preußischen Ministerpräsidenten, das
normalerweise in Personalunion mit dem Amt des Reichskanzlers vergeben wurde, ungeeignet.
Aus diesem Grund wollte er im Amt des preußischen Ministerpräsidenten bleiben, um die Frage
der preußischen Wahlrechtsreform weiter voran zu bringen. Wilhelm II. folgte den
Vorschlägen Michaelis und bot Hertling die Reichskanzlerschaft an. Dieser Vorschlag hätte
den Anhängern des Konstitutionalismus einen großen Einfluss auf die Politik bewahrt, sie
hätten die Reichspolitik mit Hilfe der preußischen Vormachtstellung im Bundesrat und mit
Hilfe der Obersten Heeresleitung weiterhin bestimmen können.
Hertling allerdings lehnte
eine Trennung der beiden Ämter kategorisch ab. Der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger,
mit dem Hertling neben anderen Parteiführern Fühlung aufnahm, lehnte die Trennung der Ämter
ebenfalls ab. Er fasste auf Hertlings Wunsch ihre gemeinsame Position in einer Denkschrift
zusammen. Ein Reichskanzler, der nicht preußischer Ministerpräsident sei, sei lediglich ein
Reichskanzler "minderen Rechts", der schwächer als der preußische Ministerpräsident sei.
Sources
MATTHIAS, Erich/ MORSEY, Rudolf (Hg.), Der Interfraktionelle Ausschuß 1917/18,
Bd. 1, Düsseldorf 1959, Nr. 69, S. 327-332.
Bibliography
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 5: Weltkrieg,
Revolution und Reichserneuerung 1914-1919, Stuttgart u. a. 1978,
S. 389 f.
Recommended quotation
Trennung der Ämter des Reichskanzlers und das des Preußischen
Ministerpräsidenten, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 22006, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/22006. Last access: 03-12-2024.
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