Belgische Frage
In den ersten Monaten der deutschen Besatzung kam es zu gewalttätigen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung, die den Belgiern das Führen eines Partisanenkriegs vorwarf. Das deutsche Vorgehen wurde in der zeitgenössischen alliierten Propaganda als Kriegsgräuel und Verletzung der Menschenrechte angeprangert. In der Forschung sind diese Vorgänge noch immer umstritten. Im Sommer 1916/17 führten die Deutschen Zwangsarbeitsdeportationen von belgischen Arbeitern sowohl in die Operations- und Etappengebiete als auch ins Deutsche Reich durch.
Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg hatte Nuntius Pacelli die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens zugesichert. Allerdings hatte er dies nicht mit Kaiser Wilhelm II., der Reichsleitung und der Obersten Heeresleitung abgesprochen. Pacelli und der Heilige Stuhl waren davon überzeugt, dass eine päpstliche Friedensvermittlung unter diesen Voraussetzungen gelingen könnte. Pacelli ging davon aus, dass diese Zusage auch den Nachfolger Bethmann Hollwegs als Reichskanzler, Georg Michaelis, binden würde. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Richard von Kühlmann, entwickelte allerdings eine Faustpfandtheorie. Das Deutsche Reich dürfe seinen größten Trumpf, die Preisgabe Belgiens, zu der es durchaus bereit war, nicht schon im Vorfeld von konkreten Friedensverhandlungen aus der Hand geben. Unter diesen Bedingungen war die Päpstliche Friedensinitiative zum Scheitern verurteilt.
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