Verhandlungen über ein Konkordat mit Preußen 1924-1929
Die Rahmenbedingen blieben ungefähr die gleichen: Zuforderst bildeten die Reichs- und die preußische Verfassung den konstitutionellen Rahmen einer neuen Vereinbarung. Hingegen war die Fortgeltung sowohl der Zirkumskriptionsbullen als auch der späteren Kulturkampfgesetzgebeung nach der Novemberrevolution umstritten. Schließlich verfolgten die maßgeblichen politischen Akteure in Preußen unterschiedliche Ziele. Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) und die Sozialdemokraten (SPD) traten für eine möglichst weitgehende Trennung von Kirche und Staat ein. Die Zentrumspartei dagegen wollte den Einfluss der Kirche auf das Schulwesen sowie die Staatsleistungen an die Kirche bewahren, was selbstverständlich auch den Zielen des Heiligen Stuhls entsprach, der zudem einen möglichst großen Einfluss auf die Besetzung der Bischofsstühle erlangen wollte.
Ein Briefwechsel zwischen Pacelli und dem preußischen Kultusminister Otto Boelitz war 1924 der Ausgangspunkt für die weiteren Verhandlungen. Die Kurie war nunmehr bereit, die Zirkumskriptionsbullen als noch verbindlich anzusehen. Nach Ausscheiden der Deutschen Volkspartei (DVP) aus der Landesregierung unter Otto Braun (SPD) und dem Abschluss des Bayernkonkordats 1924/25 traten die Verhandlungen 1926 in die entscheidende Phase ein. Die Verhandlungspartner waren dabei für den Heiligen Stuhl - unter maßgeblicher Ausschaltung sowohl des preußischen Episkopats als auch der an der Beibehaltung des Bischofswahlrechts interessierten Domkapitel - Nuntius Pacelli sowie für Preußen der liberale Kultusminister Carl Heinrich Becker und der liberale Finanzminister Hermann Höpker-Aschoff. Besonders umstritten waren die Staatsleistungen an die Kirche und die Dotation der Bistümer, die Besetzung der Bischofsstühle, die Priesterausbildung sowie die Gründung des Bistums Berlin. Die Kurie insistierte zunächst auf die Aufnahme der Schulfrage, fand sich schließlich jedoch mit der Weigerung der Regierung ab, der wiederum von interessierter Seite vorgeworfen wurde, im zu zwei Drittel protestantischen Preußen die protestantischen Interessen zu vernachlässigen. Zu einer Vereinbarung zwischen den evangelischen Landeskirchen und Preußen kam es erst 1931.
Im Februar 1929 wurden die Konkordatsverhandlungen abgeschlossen und der Vertrag im Juni 1929 vom Kabinett gebilligt. Nachdem auch die Reichsregierung unter Hermann Müller und der preußische Staatsrat ihre Zustimmung erteilt hatten, wurden die Verhandlungen am 14. Juni 1929 durch Pacelli, Braun, Becker und Höpker-Aschoff formell abgeschlossen. Am 9. Juli stimmte auch der Landtag dem entsprechen Bestätigungsgesetz zu, gegen die Stimmen der Rechtsparteien. Der Austausch der Ratifikationsurkunden erfolgte am 13. August. Das Konkordat und das Schlussprotokoll wurden damit wirksam. Die im Konkordat nicht enthaltene Schulfrage wurde mit einem Notenwechsel behandelt, der zwischen der Verkündung des Vertragswerkes am 3. August und der Ratifikation am 13. August stattfand.
Bibliography
DAMBACHER, Johannes, Eugenio Pacelli und Adolf Kardinal Bertram vor dem Hintergrund
der Verhandlungen zum Preußenkonkordat, in: Römische Quartalsschrift 104 (2009),
S. 141-165.
Einzelbesprechungen zwischen Pacelli, Friedrich Trendelenburg, Friedrich Heyer und
Ludwig Kaas im Rahmen der Verhandlungen um ein Konkordat mit Preußen von 1926 bis 1928;
Schlagwort Nr. 1759.
GOLOMBEK, Dieter, Die politische Vorgeschichte des Preußenkonkordats (1929)
(Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 4), Mainz 1970,
S. XIX-XXIV, 1-20.
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die
Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart u. a. 1981, S. 918-924.
Konkordat mit Preußen von 1929; Schlagwort Nr. 5.
Verhandlungen über das Verhältnis von Kirche und Staat in Preußen bzw. ein Konkordat
mit Preußen 1919-1923; Schlagwort Nr. 24061.