Konferenz von Locarno vom 5. bis 16. Oktober 1925
Im Januar 1925 ergriff Stresemann die Initiative und schlug seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand einen Sicherheitspakt vor, in dem das Deutsche Reich seine im Vertrag von Versailles vorgeschriebene neue Westgrenze anerkennen und sich beide Staaten zu gegenseitigem Gewaltverzicht verpflichteten sollten.
Frankreich verlangte jedoch aus Rücksicht auf seine ostmitteleuropäischen Verbündeten auch für die deutsche Ostgrenze eine entsprechende Garantie, was für den deutschen Außenminister aus innenpolitischen Gründen nicht in Frage kam.
Auf der Konferenz von Locarno vom 5. bis 16. Oktober 1925 konnte eine Lösung gefunden werden. Das komplexe Vertragswerk enthielt als wichtigste Bestimmungen die "Unverletzlichkeit" der im Versailler Vertrag festgelegten deutsch-französischen und deutsch-belgischen Grenzen, also den endgültigen Verzicht auf Elsass-Lothringen und Eupen-Malmedy, den gegenseitigen Gewaltverzicht dieser drei Staaten sowie die Entmilitarisierung des Rheinlandes. Für diesen Teil des Vertragswerkes übernahmen Großbritannien und Italien die Garantie. Hinzu kamen Schiedsverträge des Deutschen Reichs mit Polen und der Tschechoslowakei. Schließlich wurde vereinbart, dass das Reich dem Völkerbund beitreten und einen ständigen Sitz im Völkerbundsrat erhalten sollte.
Mit den Verträgen bestand zwar nach wie vor ein Konfliktpotential im Osten des Reichs, aber Veränderungen des Staus quo sollten fortan auf friedlichem Wege erreicht werden. In Europa wurde die außenpolitische Wende Deutschlands sehr positiv aufgenommen. Im Reich selbst gab es darum große Konflikte. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) verließ aus Protest die rechtsbürgerliche Koalition Hans Luthers. Die Annahme der Verträge im Reichstag am 27. November 1925 war nur mit Stimmen der oppositionellen SPD möglich. Sie wurden schließlich am 1. Dezember 1925 feierlich in London unterzeichnet.
Das Deutsche Reich befreite sich mit den Verträgen von Locarno aus der außenpolitischen Isolation und wurde wieder gleichberechtigt unter die führenden Mächte aufgenommen. Die Gegner der Verträge sahen dagegen nur, dass die territorialen Verluste des Versailler Vertrags akzeptiert wurden.
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