Deutsche Zentrumspartei, Reichsparteitag vom 15. bis 17. Januar 1922
Bemerkenswerterweise wurde ein Vertrauensvotum für die Politik der Regierung Joseph Wirths und der Reichstagsfraktion einstimmig angenommen. Im Gegensatz zum Januar 1920 gab es keine grundsätzliche Kritik mehr an einer Koalition mit den Sozialdemokraten (SPD) – auch nicht von den Befürwortern einer Erweiterung der Koalition hin zur Deutschen Volkspartei (DVP). Die permanente Regierungsbeteiligung und die erneute Übernahme der Kanzlerschaft wurden vielmehr als Dienst am Volk befürwortet.
Wie schon 1920 wurde der christliche Charakter der Partei betont und wieder trat etwa Wilhelm Marx für ein Selbstverständnis des Zentrums als "Christliche Volkspartei" ein, die auch für Protestanten offen sein solle. Marx forderte darüber hinaus die bessere Zugänglichkeit von öffentlichen Ämtern für Katholiken sowie die Sicherstellung der Konfessionsschule.
Ein weiteres Hauptthema der Konferenz war die Gewinnung bzw. Wiedergewinnung von Akademikern für das Zentrum, insbesondere der Studentenschaft, die sich für den Rechtsradikalismus als besonders anfällig zeigte. Das Bekenntnis zur Weimarer Verfassung war im Zentrum mittlerweile selbstverständlich, immer wieder war auf dem Parteitag darüber hinaus sogar ein Bekenntnis zu Demokratie und republikanischer Staatsform zu hören.
Des Weiteren fand der von Generalsekretär Hermann Katzenberger propagierte weitere planmäßige Aufbau einer einheitlichen Parteiorganisation große Zustimmung.
Schließlich wurde den Delegierten ein neues Parteiprogramm als Reaktion auf die langjährigen Forderungen nach einer geistigen Fundierung und grundsätzlichen politischen Ausrichtung des Zentrums vorgelegt. Es war zwar noch maßgeblich von Trimborn beeinflusst worden, doch hatte auch die einzelnen Parteigliederungen und Landesverbänden daran mitgearbeitet. Religiöse Weltanschauung und Überzeugung wurden als Grundlage des Zentrums, das sich als politische und nationale Partei verstand, festgelegt. Statt Sozialismus und liberalem Kapitalismus propagierte das Programm eine organische Volksgemeinschaft und einen berufsständisch gegliederten Wohlfahrtsstaat geprägt von der christlich-deutschen Volkskultur. Das Programm wurde ohne Diskussion einstimmig angenommen.
Bei der Neuwahl des Parteivorstands wurde Marx zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Der zweite Parteitag erfüllte noch mehr als der erste von 1920 eine integrierende Funktion, wenn auch die Diskussion, wie man katholische Akademiker und Studenten beim Zentrum halten bzw. neu für es gewinnen solle, den Eindruck der Einmütigkeit, den die Zentrumsanhängerschaft machen wollte, trübte.
Sources
Offizieller Bericht des Zweiten Reichsparteitages der Deutschen Zentrumspartei. Tagung
zu Berlin vom 15. bis 17. Januar 1922, Berlin o. J.
Richtlinien der Deutschen Zentrumspartei vom 16. Januar 1922, in: MOMMSEN,
Wilhelm, Deutsche Parteiprogramme (Deutsches Handbuch für Politik 1), München 1960,
S. 486-489.
Bibliography
MORSEY, Rudolf, Die Deutsche Zentrumspartei 1917-1923 (Beiträge zur Geschichte des
Parlamentarismus und der politischen Parteien 32), Düsseldorf 1966,
S. 430-437.
RUPPERT, Karsten, Die Deutsche Zentrumspartei und die Weimarer Demokratie 1918-1933,
in: PYTA, Wolfram u. a. (Hg.), Die Herausforderung der Diktaturen. Katholizismus in
Deutschland und Italien 1918-1943/45 (Reihe der Villa Vigoni 21), Tübingen 2009,
S. 13-38.