Rede Cunos am 31. Dezember 1922 in Hamburg
"In Frankreich, meine Herren, wird die Notwendigkeit der Besetzung der Rheingebiete auch mit der Besorgnis vor kriegerischen Absichten Deutschlands begründet. Diese Besorgnis ist irrig. Um den Beweis hierfür zu liefern, haben wir die französische Regierung durch Vermittlung einer dritten Macht wissen lassen, daß Deutschland bereit ist, gemeinsam mit Frankreich und anderen am Rhein interessierten Großmächten sich gegenseitig zu treuen Händen einer am Rhein nicht interessierten Großmacht für ein Menschenalter, also ein Mehrfaches der im Vertrag von Versailles vorgesehenen Besetzungsfrist, feierlich zu verpflichten, ohne besondere Ermächtigung durch Volksabstimmung gegeneinander keinen Krieg zu führen. Eine solche Verpflichtung würde alle beteiligten Völker statt auf Krieg auf Frieden einstellen und die denkbar sicherste Friedensgarantie bilden. Zu meinem Bedauern muß ich mitteilen, daß Frankreich dieses Anerbieten abgelehnt hat."
Cuno hatte den deutschen Botschafter in Washington, Wiedfeldt, am 13. Dezember 1922 aufgefordert, den oben dargelegten Vorschlag der US-amerikanischen Regierung zur Vermittlung an Frankreich vorzulegen. Der französische Botschafter in Washington lehnte den deutschen Vorstoß allerdings auf Anweisung des französischen Ministerpräsidenten Poincaré ab: dem Reich wurde vorgeworfen, damit die drohende Besetzung vermeiden zu wollen, weiterhin würden englische und amerikanische Garantien fehlen und letztlich seien sowohl eine Volksabstimmung als auch die Befristung auf ein Menschenalter nicht ausreichend.
Sources
Rede des Reichskanzlers in Hamburg. 31. Dezember 1922, in: Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik online, in: www.bundesarchiv.de (Last access: 25.09.2013).