Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in Preußen
Bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Landesversammlung am 26. Januar 1919 bekam die DNVP 11,2 % der Stimmen. Bei den Verhandlungen um die Landesverfassung konnte die DNVP ihre autoritären Vorstellungen wie die Schaffung eines preußischen Präsidenten, dessen Macht noch über die des Reichspräsidenten hinausgehen sollte, nicht durchsetzen und enthielt sich bei der Abstimmung am 30. November 1920. Schon zuvor hatte sich anlässlich des Kapp-Lüttwitz-Putsches vom 13. März 1920 die antirepublikanische Haltung großer Teile der preußischen DNVP gezeigt. Dieser fand unter der Führung des ostpreußischen Generallandschaftsdirektors und DNVP-Mitglieds Wolfgang Kap statt. Zahlreiche Parteifunktionäre waren auch in Preußen am Putsch und seinen Vorbereitung beteiligt, so dass die Distanzierung der Partei von den Putschisten, die nach dem Scheitern des Unternehmens erfolgte, unglaubwürdig war.
Nach dem Scheitern dieses Putschversuchs setzte sich der Parteiflügel durch, der eine Regierungsbeteiligung der DNVP nicht kategorisch ablehnte. Er strebte die Errichtung eines "Ordnungsstaats" in Preußen nach dem Vorbild Bayerns an, um von dort aus das Reich zu erobern. Mit Hilfe einer Regierungsbeteiligung in Preußen versprach man sich, sich der dortigen Machtressourcen und des politischen Einflusses des größten Landes im Reich zu bemächtigen.
Als die DNVP bei den Wahlen zum ersten preußischen Landtag am 20. Februar 1921 (sowie bei der Nachwahl im oberschlesischen Wahlkreis Oppeln am 19. November 1922) 18,0 % der Stimmen bekam, stieg sie neben der Zentrumspartei zur stärksten bürgerlichen Partei im Landtag auf. Sie wurde zweitstärkste Fraktion hinter den Mehrheitssozialdemokraten (MSPD). Die Regierungsbildung stellte sich als schwierig heraus. Die Weimarer Koalition aus MSPD, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei (DDP) verfügte zwar noch über eine knappe Mehrheit, aber die DNVP sah die Möglichkeit zur Bildung eines rein bürgerlichen Kabinetts. Jedoch strebte das Zentrum keine bürgerliche Regierung unter Beteiligung der DNVP an, sondern eine Erweiterung der Weimarer Koalition um die Deutsche Volkspartei (DVP). Schließlich entschied sich die DNVP, eine bürgerliche Minderheitenregierung zu stützen und das Zentrum ließ sich darauf ein. Am 21. April 1921 wurde der Zentrumspolitiker Adam Stegerwald mit den Stimmen der DNVP zum Ministerpräsidenten gewählt, doch seine Minderheitenregierung hielt nur bis zum 3. November 1921. Die DNVP war an der folgenden Großen Koalition nicht beteiligt und damit das Projekt "Ordnungsstaat" vorerst gescheitert. Obwohl die DNVP weiterhin große Wahlerfolge verzeichnen konnte – am 7. Dezember 1924 erhielt sie 23,7 % der Stimmen, am 20. Mai 1928 17,4 % – gelang es ihr nicht, sich an der Regierung zu beteiligen. Als am 14. Juni 1929 das Konkordat zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl vom Landtag angenommen wurde, stimmte die DNVP dagegen. Einem entsprechenden Staatskirchenvertrag mit den evangelischen Landeskirchen in Preußen gab die Partei im Juni 1931 dagegen ihre Zustimmung.
Zwar war auch die preußische DNVP in der Spätphase der Weimarer Republik vom Zerfall des bürgerlichen Parteienspektrums betroffen und bekam bei den Landtagswahlen am 24. April 1932 und am 5. März 1933 nur noch 6,9 % bzw. 8,8 % der Stimmen, stellte aber nach dem Preußenschlag vom 20. Juli 1932 Minister in den Kommissariatsregierungen.
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