Ministerialentschließung vom 28. März 1889
Die bayerischen Bischöfe hatten seit der Unterzeichnung des Konkordats von 1817 versucht, den kirchlichen Einfluss auf die staatlich organisierte Theologenausbildung zu erweitern. Als Idealvorstellung diente ihnen dabei das vollkommen kirchlich beaufsichtigte Tridentinische Seminar. Artikel V des Konkordats hatte den Bischöfen die Aufsicht und Ernennung der Lehrenden an den Priesterseminaren zugestanden. Diese Entscheidungsfreiheit sollte aus bischöflicher Perspektive auch auf die anderen theologischen Ausbildungseinrichtungen ausgeweitet werden.
Ab 1834 entwickelte sich eine Phase der Annäherung zwischen Staat und Kirche. Nach und nach erhielten die Bischöfe zumindest ein sogenanntes Erinnerungsrecht, das es ihnen ermöglichte, während eines Berufungsverfahrens gehört zu werden bzw. die eigene Position darzulegen.
Die Ministerialentschließung von 1889 sah schließlich die ordentliche Beteiligung der Bischöfe an den Berufungsverfahren vor. Bei der Besetzung der Lehrstellen an Lyzeen wurde zur Rücksicht auf die bischöflichen Wünsche verpflichtet. Was die Besetzung der Lehrstühle an den staatlichen Universitäten betraf, sollte in Zukunft neben dem Gutachten der theologischen Fakultät und des Universitätssenats auch der jeweilige Ortsbischof eine gleichberechtigte Stellungnahme einreichen. Diese sollte über den dogmatischen Standpunkt und den sittlichen Wandel des Kandidaten befinden.
Mit dieser Entscheidung war eine stärkere kirchliche Mitbestimmung bei der Besetzung der Lehrstühle erreicht worden, die den Weg für die noch viel weitergreifenden Bestimmungen des Konkordats von 1924 ebnen sollte.
Sources
BOSL, Karl, Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, Abteilung
III, Bd. 8: Kultur und Kirchen, München 1983, Nr. 127, S. 441-449.
SIMON, Josef, Die kirchliche Gebundenheit des staatlichen Amtes der katholischen
Theologieprofessoren in Bayern, München 1964, S. 23-32.
WEBER, Karl, Neue Gesetz- und Verordnungen-Sammlung für das Königreich Bayern mit
Einschluß der Reichsgesetzgebung, München 1988/1989, Bd. 19,
S. 452-456.