Beatifikationsprozess
Am Beginn eines solchen Verfahrens stand nach dem Codex Iuris Canonici von 1917 ein Postulat an den Ortsbischof, in dessen Diözese die verehrte Person gelebt hat. Grundlegend für die Aufnahme eines Verfahrens waren drei Kriterien: die Rechtgläubigkeit, der Ruf der Heiligkeit und der Tugend, wobei die Wirkung von Wundern oder das Martyrium mit eingeschlossen waren, sowie das Fehlen einer amtlichen Verehrung.
Erschienen die ersten Berichte dem Ortsbischof plausibel, wurde das Verfahren eröffnet. Dazu wurde ein Gericht bestehend aus drei Geistlichen (Vorsitzender, Glaubensanwalt, Notar) eingesetzt. Zunächst wurden im sogenannten Schriftprozess (cann. 2042-2048 CIC/1917) alle schriftlich abgefassten Zeugnisse der zu überprüfenden Person auf ihre Konformität mit der kirchlichen Lehre untersucht. In einem nächsten Schritt, dem Informativprozess (cann. 2049-2056 CIC/1917), wurden Nachweise für ein heiliges Leben, das sich durch Tugend, Wunder bzw. Martyrium ausgezeichnet hat, ermittelt. Dieser Ruf der Heiligkeit durfte nicht künstlich entstanden sein, sondern musste dauerhaft von ernstzunehmenden Personen bestätigt und in einem großen Teil der Bevölkerung vorhanden sein. Dazu wurden Augen- und Ohrenzeugen befragt. War dies geschehen, wurde im Kultprozess (cann. 2057-2060 CIC/1917) ausgeschlossen, dass es bereits eine amtliche Verehrung der untersuchten Person gab.
Die auf der ersten Ebene erhobenen Ergebnisse wurden nach Abschluss des Prozesses an die römische Ritenkongregation übergeben, die diese Akten in einem zweiten Schritt überprüfte (cann. 2061-2086 CIC/1917). Abschließend wurde in einer Sitzung der Kongregation von den Kardinälen eine Empfehlung an den Papst erarbeitet, der dann letztgültig über die Fortsetzung des Prozesses entschied.
War dies der Fall, wurden die sogenannten Apostolischen Prozesse eingeleitet. Diese beinhalteten vier Einzelvorgänge: die Einleitung erneuter päpstlicher Prüfungsverfahren (cann. 2087-2100 CIC/1917), eine Untersuchung des heroischen Tugendlebens bzw. Martyriums des Untersuchten (cann. 2101-2115 CIC/1917), die Feststellung der erwirkten Wunder (cann. 2116-2123 CIC/1917) sowie abschließend die lehramtliche Seligsprechung bzw. Kanonisation (can. 2124 CIC/1917). Dazu beauftragte der Papst ein fünfköpfiges Gremium in der Heimatdiözese der Person, das die Untersuchungen leitete. Das Verfahren zur Untersuchung des Tugendlebens der möglicherweise seligen Person durfte allerdings erst 50 Jahre nach deren Tod begonnen werden. Diese Frist galt nicht für die Untersuchung des Lebens und Sterbens eines Märtyrers. Bei der Untersuchung der Wunder waren mindestens zwei Experten heranzuziehen – etwa Ärzte bei Heilungswundern –, um einen natürlichen Hergang auszuschließen. Die Zahl der zu erbringenden Wunder hing von der Betroffenheit der Zeugen ab: Bei Augenzeugen genügten zwei Wunder, während bei einer Ermittlung, die nur auf mündlichen oder schriftlichen Überlieferungen beruhte, vier Wunder gefordert wurden.
Jenseits dieses gängigen Verfahrens existierte auch ein außerordentliches Verfahren (cann. 2125-2135 CIC/1917), das die Feststellung der Heiligkeit eines Menschen amtlich feststellen sollte, der bereits in der Zeit zwischen 1181 und 1634 gelebt hatte und seitdem ohne Unterbrechung verehrt wurde. Dabei wurden die Orte der Verehrung inspiziert, die Überzeugungen der Bevölkerung erhoben sowie etwaige Schriftzeugen untersucht. Es folgten dieselben Schritte wie im ordentlichen Verfahren, wobei am Ende eine päpstliche Genehmigung des bereits bestehenden Kultes stehen konnte.
Quellen
1917 Codex Iuris Canonicis, cann. 2037-2141, in: www.jgray.org (Letzter Zugriff am: 14.06.2016).
Codex Iuris Senior, cann. 2037-2141, in: www.catho.org (Letzter Zugriff am: 14.06.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu
digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917,
cann. 2037-2141, in: www.archive.org (Letzter Zugriff am: 14.06.2016).
Literatur
EICHMANN, Eduard/ MÖRSDORF, Klaus, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex
Iuris Canonici, Bd. 3: Prozess- und Strafrecht, München / Paderborn / Wien 1958,
S. 257-267.
MARCKHOFF, Ulrike, Das Selig- und Heiligsprechungsverfahren nach katholischem
Kirchenrecht (Münsteraner Studien zur Rechtsvergleichung 89), Münster / Hamburg / London
2002.
PIER, Aimone, Die kanonisch-theologische Qualifikation päpstlicher Selig- und
Heiligsprechungen, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 50 (2003),
S. 481-510.