Revolution in Braunschweig 1918/19
Anfang November 1918 erreichte die Revolution Braunschweig. Ein Arbeiter- und Soldatenrat konstituierte sich am 8. November und übernahm die Macht, nachdem eine Delegation unter dem linken USPD-Politiker August Merges Herzog Ernst August zur Abdankung bewegt hatte. Am 10. November proklamierte der Arbeiter- und Soldatenrat die "Sozialistische Republik Braunschweig", deren Präsident Merges wurde. Der gemäßigte USPD-Politiker Sepp Oerter wurde Vorsitzender des ausführenden Rats der Volkskommissare. Die Spartakistin Minna Faßhauer wurde Volkskommissarin für Volksbildung, beseitigte die geistliche Schulaufsicht und setzte die staatliche Schulbehörde an ihre Stelle. Über die Durchsetzung der Sozialisierung, eines ihrer wichtigsten Ziele, konnten die Revolutionäre keine Einigkeit erreichen. Auch die zukünftige Rolle der Räte war zwischen Radikalen und Gemäßigten umstritten. Die MSPD war weder im Arbeiter- und Soldatenrat noch im Rat der Volkskommissare vertreten.
Das braunschweigsche Bürgertum wehrte sich aktiv gegen die Revolutionsregierung und forderte im Dezember 1918 die Einberufung einer Verfassunggebenden Landesversammlung. Tatsächlich fanden am 22. Dezember 1918 Parlamentswahlen statt. Hier musste die USPD eine Niederlage einstecken. Sie erhielt nur 24,3 Prozent der Stimmen. Die MSPD gewann mit 27,7 Prozent die Wahl. Aus dem bürgerlichen Lager erlangte die Demokratische Volkspartei, aus der später die Deutsche Demokratische Partei (DDP) in Braunschweig hervorging, 21,8 Prozent, der Landeswahlverband, in dem sich das übrige Bürgertum sammelte, kam auf 26,2 Prozent. Die Zentrumspartei spielte wegen des geringen Katholikenanteils im Herzogtum keine Rolle.
Am 10. Februar 1919 trat der Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Kurz darauf bildeten USPD und MSPD eine Koalition. Der gemäßigte Flügel der USPD wollte damit ein Gegengewicht zu den vom Revolutionsverlauf enttäuschten und sich radikalisierenden Arbeitern schaffen, unter denen es seit Ende Dezember 1918 immer wieder zu Unruhen gekommen war. Die vorläufige Landesverfassung bestimmte das Parlament zum alleinigen Träger der Staatsgewalt. Damit war die Auseinandersetzung für die parlamentarische Demokratie und gegen das Rätesystem entschieden, obgleich die Räte im Gesetzgebungsverfahren noch ein Vetorecht hatten.
Daraufhin kam es Ende Februar 1919 zu Unruhen. Anfang April, als eine große Streikwelle durch das Ruhrgebiet rollte und in München die bayerische Räterepublik ausgerufen wurde, eskalierte die Lage auch in Braunschweig. Am 9. April wurde ein Generalstreik ausgerufen. Daraufhin kam es zu bürgerlichen Gegenstreiks. Am 13. April verhängte die Reichsregierung über Braunschweig den Belagerungszustand und das Landesjägerkorps des Generals Georg Ludwig Rudolf Maercker marschierte ein. Am 17. April waren die Unruhen niedergeschlagen. Zwar konnten die Freikorps keine Umbildung der Regierung erzwingen, aber der führende MSDP-Politiker Heinrich Jasper übernahm den Vorsitz der Koalition zwischen USPD und MSPD. Mitte Juni gelang es Jasper, die USPD aus der Regierung zu drängen, aber erst Ende 1923 beruhigte sich die Lage im Land endgültig.
Quellen
Vorläufige Verfassung für den Freistaat Braunschweig vom 27. Februar 1919, in: Gesetz- und Verordnungs-Sammlung für die Braunschweigischen Lande, Nr. 26, S. 47-49.
Vorläufige Verfassung für den Freistaat Braunschweig vom 27. Februar 1919, in: WITTRECK, Fabian (Hg.), Weimarer Landesverfassungen. Die Verfassungsurkunden der deutschen Freistaaten 1918-1933, Tübingen 2004, S. 147 f.
Literatur
FALTER, Jürgen / LINDENBERGER, Thomas / SCHUMANN, Siegfried, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1986, S. 92.
LUDEWIG, Hans-Ulrich, Der Erste Weltkrieg und die Revolution (1914-1918/19), in: JARCK, Horst-Rüdiger / SCHILDT, Gerhard (Hg.), Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, Braunschweig 2000, S. 915-944.
ROTHER, Bernd, Der Freistaat Braunschweig in der Weimarer Republik (1919-1933), in: JARCK, Horst-Rüdiger / SCHILDT, Gerhard (Hg.), Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, Braunschweig 2000, S. 945-980.