Unionsbestrebungen der bulgarisch-orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen

Im Februar 1916 nahm der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger bei einem Besuch deutscher Parlamentarier in Sofia erste Kontakte bezüglich der Vereinigung der bulgarisch-orthodoxen Kirche mit der römisch-katholischen Kirche zu einer unierten Kirche auf. Durch die Kirchenunion sollte der russische Einfluss in Bulgarien begrenzt werden. Erzberger verstand sich in dieser Angelegenheit verantwortlich für die Politik des Auswärtigen Amts und der Katholischen Kirche. Diese Verquickung wurde in der Öffentlichkeit, insbesondere durch die Kölnische Volkszeitung, durchaus kritisch gesehen. Der deutsche Sonderbotschafter in Rom, der ehemalige Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow, unterstützte Erzberger in der Frage der Kirchenunion. Bülow war davon überzeugt, dass die deutschen Vorstellungen bezüglich der Union deckungsgleich mit denen des Vatikans seien. Erzbischof Joseph I. der bulgarisch-orthodoxen Kirche, der Präsident des Heiligen Synods, verurteilte jedoch den Unionsplan.
Im April 1916 führte Erzberger geheime Unterredungen mit dem päpstlichen Mitarbeiter Prälat Robert Ritter von Gerlach über die Unionspläne. Der Bericht dieses Treffens enthielt sieben Programmpunkte, darunter die Förderung der lateinischen Priesterausbildung, die Errichtung von katholischen Gymnasien und der Aufbau einer Nuntiatur in Sofia. Gerlach sah aus theologischer Sicht die Übernahme des "filioque" ins Credo, also den Glaube der römisch-katholischen Kirche, dass der Heilige Geist aus Gottvater und Sohn hervorgeht, sowie die Anerkennung des Primates des Papstes als Voraussetzung der Union an.
Hubert Bastgen wurde durch das Auswärtige Amt zur Vermittlung eingesetzt. Er sollte sich neben der bulgarischen auch mit der rumänischen Kirchenunion beschäftigen. Ein Jahr später regte er seine Anstellung als Militärseelsorger in Bulgarien an und traf sich vermehrt mit Zar Ferdinand I. von Bulgarien, der zusammen mit seinem Sohn Boris der Kirchenunion sehr positiv gegenüber stand. Im Februar 1918 begrüßte Bastgen den Besuch des Erzbischofs Michael von Faulhaber von München und Freising in Sofia, da er die Beziehungen sowohl zum bulgarischen Staat als auch zur Orthodoxie stärkte.
Während der Kontakt zu Zar Ferdinand konstant gut war, stieg Anfang 1918 im bulgarischen Volk die Ablehnung gegen das Deutschen Reich. Im Juni 1918 entließ Zar Ferdinand den bisherigen Ministerpräsident Vasil Radoslavov und beauftragte den "russophilen" Oppositionsführer Alexander Malinov mit der Kabinettsbildung. Dies bedeutete faktisch das Ende der Unionsgespräche.
Literatur
HAAS, Reimund, Matthias Erzberger, Hubert Bastgen und die kirchenpolitischen Pläne für eine katholische Kirchenunion mit Bulgarien (1916-1918), in: Ostkirchliche Studien 55 (2006), S. 218-258.
Empfohlene Zitierweise
Unionsbestrebungen der bulgarisch-orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 23020, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/23020. Letzter Zugriff am: 23.11.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 20.01.2020.
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