Unionsbestrebungen zwischen der georgisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche
In Georgien ist seit dem 13. Jahrhundert eine katholische Gemeinde bezeugt, die sowohl im byzantinischen als auch im lateinischen Ritus die Messe feierte, was 1631 durch den Heiligen Stuhl offiziell anerkannt wurde. Im 19. Jahrhundert trat jedoch der lateinische Ritus in den Vordergrund, sodass eine georgischsprachige Liturgie nur noch selten gefeiert wurde.
Mit der Russischen Revolution 1917 und dem Untergang des Zarenreichs erlangte nicht nur Georgien als Staat die Unabhängigkeit von Russland, sondern auch die georgisch-orthodoxe Kirche, die sich aus dem Verband der russischen Orthodoxie löste und zur autokephalen (eigenständigen) Kirche wurde. Auch die Katholiken mussten sich nun neu positionieren. Da bereits in der Vergangenheit von national gesinnten Katholiken eine Union erwogen worden war, wurde ein Dialog mit der georgischen Kirche angestoßen. Eine große Gelegenheit bot der erste Katholikentag, der 1917 in Tiflis abgehalten wurde, bei dem auch Vertreter der Orthodoxie sowie deren Oberhaupt, Katholikos Leonid, teilnahmen. Im Rahmen der verschiedenen Veranstaltungen wurden zwei Forderungen von katholischer Seite deutlich: Einerseits sollte ein Bischofssitz in Tiflis auf georgischem Staatsgebiet errichtet werden, da die Katholiken immer noch zum Jurisdiktionsbereich des Bischofs von Saratow (Südrussland) gehörten. Andererseits forderten national gesinnte Gläubige die Wiederbelebung des georgisch-byzantinischen Ritus, was wiederum ein Moment der Annäherung an die georgisch-orthodoxen Kirche darstellen würde. Trotz einer starken Gruppe, die im lateinischen Ritus verbleiben wollte, wurden Delegierte nach Rom entsandt, um mit den kurialen Stellen über eine Entscheidung zu verhandeln. Pius XI., der eine Annäherung an die Kirchen des Ostens unterstützte, erwies sich als Förderer des Vorhabens. Er ließ einen Bischofssitz in Tiflis errichten und gab die Erlaubnis zur Feier der Liturgie im georgisch-byzantinischen Ritus. Während die Errichtung einer georgischen Hierarchie keine Probleme darstellte, wurde um die Ritusfrage heftig gestritten, da gerade einflussreiche Kreise in einer rituellen Annäherung an die Orthodoxie den Verlust der eigenen katholischen Identität sahen. Der Heilige Stuhl entsandte 1923 zur Regulierung der Neuordnung der kirchlichen Strukturen in Georgien den holländischen Titularerzbischof Adriaan Smets als Apostolischen Visitator.
Mit der erneuten Eroberung Georgiens durch russische Truppen und der ab 1924 stark betriebenen Sowjetisierung veränderten sich die politischen Umstände erheblich. Beide Kirchen musste in Georgien um ihren Fortbestand kämpfen, was die Unionsbestrebungen in den Hintergrund treten ließ.
Literatur
BATHMANSCHWILI, Sio, L'Église catholique en Géorgie, in: BERG, Ludwig (Hg.), Ex
Oriente. Religiöse und philosophische Probleme des Ostens und des Westens, Mainz 1927,
S. 152-158.
HÜNERMANN, Friedrich, Die Unionsbestrebungen in der Gegenwart, in: Bonner Zeitschrift für Theologie und Seelsorge
4 (1927), S. 219-242.