Verhandlungen über ein Reichsschulgesetz 1925
Im Februar 1925 wurden von Zentrum, DNVP, Deutscher Volkspartei (DVP) und Bayerischer Volkspartei (BVP) ausgearbeitete "Grundsätze für ein Reichsschulgesetz" dem Reichsinnenministerium vorgelegt. Diese wurden allerdings im Ministerium kaum zur Kenntnis genommen. Vielmehr arbeiteten Reichsinnenminister Martin Schiele (DNVP) und – unter Umgehung des sozialdemokratischen Staatssekretärs Heinrich Schulz – Geheimrat Arthur Gürich einen eigenen Entwurf aus.
Dieser sah eine eindeutige Bevorzugung der Bekenntnisschule vor. Hinzu kam die weitestgehende Berücksichtigung der gegenwärtigen Gestaltung des Schulwesens in den Ländern, die die eigentliche Gesetzgebungskompetenz in Schulfragen erhalten sollten.
Die Katholische Schulorganisation, der der Entwurf vorab vorgelegt wurde, lehnte diesen unter anderem deshalb ab, weil die Stärkung der Länderkompetenz in Schulfragen den Katholiken außerhalb Bayerns keinen unmittelbaren Vorteil brachte und sie ihn als unnötige Provokation der Linken ansah. Auch die Länder bis auf Württemberg und Bayern lehnten den Entwurf ab.
Als das Papier schließlich durch eine Indiskretion am 29. August 1925 vorab an die Öffentlichkeit gelangte, darauf eine linke Pressekampagne losbrach, die nicht konfessionell gebundenen Lehrervereine scharfen Protest einlegten und sich dazu außenpolitische Angelegenheiten in den Vordergrund drängten, erklärte die Reichskanzlei das Projekt für zu diesem Zeitpunkt undurchführbar und den Entwurf für erledigt – noch bevor die DNVP am 25. Oktober 1925 die Regierung verlies.
Der Entwurf und die Ereignisse um ihn schadeten vor allem dem Zentrum und der Glaubwürdigkeit seines Eintretens für Elternrecht und Gewissensfreiheit. Die Sozialdemokraten fühlten sich in ihrer schulpolitischen Haltung bestätigt und auch die DVP besann sich verstärkt auf ihre liberalen Grundsätze.
Im Nachgang des Scheiterns des Schiele-Gürichschen Gesetzentwurfs lieferten sich Zentrum und der Reichs-Katholikenausschuss der DNVP zunächst erbitterte politische Gefechte, bis es im Laufe des Jahres 1926 zu einer immer stärkeren Annäherung der beiden Parteien auf schulpolitischem Gebiet kam. Jedoch kam bis zum Reichsschulgesetzentwurf des Deutschnationalen Walter von Keudell, der von 1927 bis 1928 im Kabinett Marx IV den Posten des Reichsinnenministers besetzte, keine Gesetzesinitiative mehr zustande.
Quellen
HENNECKE, Frank J. (Hg.), Schulgesetzgebung in der Weimarer Republik vom
11. August 1919 bis 24. März 1933. Sammlungen von Rechtsvorschriften des
Reiches und der Länder Baden, Bayern und Preußen. Nachdrucke mit einer Einleitung
(Sammlungen der Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Bekanntmachungen zum Elementar- bzw.
Volksschulwesen im 19./20. Jahrhundert 7), Köln / Wien 1991.
Literatur
GRÜNTHAL, Günther, Reichsschulgesetz und Zentrumspartei in der Weimarer Republik
(Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 39),
Düsseldorf 1968, S. 156-196.
RUPPERT, Karsten, Im Dienst am Staat von Weimar. Das Zentrum als regierende Partei in
der Weimarer Demokratie 1923-1930 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der
politischen Parteien 96), Düsseldorf 1992, S. 287-290.