Reichsvereinigung ehemaliger Kriegs- und Zivilgefangener

Die Reichsvereinigung ehemaliger Kriegs- und Zivilgefangener, kurz auch Reichsvereinigung ehemaliger Kriegsgefangener, war die größte Kriegsgefangenenorganisation im Deutschen Reich während der Weimarer Republik. Sie wurde im März 1919 in Bad Oeynhausen als Gruppe innerhalb des Volksbundes zum Schutze der deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen gegründet und diente der Identitätsstiftung der vielfach als Drückeberger diffamierten Kriegsgefangenen sowie ihrer Interessenvertretung insbesondere bei der Durchsetzung finanzieller Forderungen gegenüber dem Staat. Anfangs engagierte sich die Reichsvereinigung vor allem für die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen und der Pflege der Gräber der in Gefangenschaft verstorbenen Soldaten. Daneben verfolgte die Organisation auch allgemeine gesellschaftliche Ziele wie die Aufhebung der Klassengegensätze, die Überwindung der Parteipolitik und die Schaffung einer Volksgemeinschaft.
Die Reichsvereinigung war in Regional- und Ortsgruppen gegliedert und gab die Zeitschrift "Der Heimkehrer" als Verbandsorgan heraus. Nach eigenen Angaben hatte die Organisation anfangs 350.000 bis 400.000 Mitglieder, was fast ein Drittel der insgesamt rund 1,2 Millionen deutschen Kriegsgefangenen umfassen würde. Im Laufe der Zwanziger Jahre verzeichnete die Reichsvereinigung jedoch tendenziell sinkende Mitgliederzahlen, so dass 1923 einstweilen das Verbandsorgan eingestellt und die Geschäftsstelle in Berlin geschlossen werden musste. 1924 hatte die Reichsvereinigung nur noch rund 10.000 Mitglieder, in der zweiten Hälfte der Zwanziger Jahre rund 30.000. Die Reichsvereinigung war Mitglied und Hauptträger des Dachverbandes "Deutsche Kriegsgefangenenliga", dem auch österreichische und tschechische Verbände angehörten.
Die politische Ausrichtung der Reichsvereinigung erschwerte die Integration der demokratischen und pazifistischen Mitglieder und Ortsgruppen. So gründeten einige Ortsgruppen der Reichsvereinigung 1925 die pazifistisch-republikanisch ausgerichtete Vereinigung ehemaliger Kriegsgefangener. Trotz ihrer unterschiedlichen politischen Ausrichtung arbeiteten beide Verbände gezwungenermaßen auf sozialpolitischer Ebene zusammen. Die Vereinigung wurde später auch Mitglied der Deutschen Kriegsgefangenenliga.
Die Reichsvereinigung ehemaliger Kriegs- und Zivilgefangener ließ sich 1933 bereitwillig von den Nationalsozialisten gleichschalten.
Literatur
PÖPPINGHEGE, Rainer, "Kriegsteilnehmer zweiter Klasse"? Die Reichsvereinigung ehemaliger Kriegsgefangener 1919-1933, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 64 (2005), S. 391-423.
Empfohlene Zitierweise
Reichsvereinigung ehemaliger Kriegs- und Zivilgefangener, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 309, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/309. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 03.06.2013, letzte Änderung am 16.12.2013.
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