Deutsche Zentrumspartei, Reichsparteitag vom 19. bis 22. Januar 1920
Am 19. Januar 1920 wurde der Parteitag in Berlin vom Vorsitzenden der Zentrumsfraktion in der Weimarer Nationalversammlung Karl Trimborn eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren die Reichsverfassung und die grundlegenden Steuergesetze bereits von der Nationalversammlung angenommen worden, die Abgeordneten der Bayerischen Volkspartei (BVP) hatten die Zentrumsfraktion verlassen und die Wahl des ersten Reichstages stand in Aussicht.
Der Hauptdiskussionspunkt des Parteitages war die bisherige und zukünftige Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten (SPD). Die Vertreter der Nationalversammlungsfraktion wie Constantin Fehrenbach, Matthias Erzberger und Trimborn selbst verteidigten diese gegenüber den vielfach skeptischen Delegierten als aus praktischen Gründen notwendig. Einige Vertreter des zum rechten Parteiflügel zählenden Adels und der Industrie setzten sich dagegen für ein Ende der Zusammenarbeit ein. Letztendlich wurde die bisherige Koalitionspolitik vom Parteitag gebilligt, jedoch keine Aussage zur zukünftigen getroffen.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Rolle der einzelnen Berufsstände und ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen in der Partei, was zu einer Aufsplitterung zu führen drohte. Es ging dabei um die Frage, ob das Zentrum eine "Christliche Volkspartei" war oder werden könnte. Darüber hinaus wurde das Verhältnis zur neuen republikanischen Staatsform diskutiert. Offensichtliche Widersprüche in diesen Bereichen wurden mit dem Ruf zur Einigkeit, dem Verweis auf den notwendigen Pragmatismus sowie der Betonung der gemeinsamen christlichen Werte nur scheinbar ausgeglichen.
Die Person Erzberger sorgte nicht zuletzt wegen der umstrittenen Steuerreform für Auseinandersetzungen. Die kurz vor dem Parteitag erfolgte Separation der BVP von der Zentrumsfraktion in Nationalversammlung wurde dagegen kaum thematisiert. Man wollte nicht weiteres Öl ins Feuer gießen.
Hinsichtlich der Parteiorganisation befürwortete der Parteitag die Schaffung einer einheitlichen Reichsorganisation. Bei der Neuwahl der Führungsspitze wurde jedoch eher der Status quo zementiert. Es dominierten die alten routinierten Parlamentarier, ihr Durchschnittsalter lag bei 64 Jahren. Trimborn wurde zum Parteivorsitzenden gewählt. Der christliche Gewerkschaftsführer Adam Stegerwald und die katholische Frauenrechtlerin Hedwig Dransfeld waren die einzigen Vorstandsmitglieder, die erst seit 1919 zur Zentrumsfraktion gehörten. Man versuchte lediglich bei den Beisitzern des Vorstandes und im Reichsparteiausschuss einen repräsentativen Querschnitt der Wählerschaft herzustellen.
Insgesamt wurde auf dem Parteitag sehr viel Kraft auf den innerparteilichen Interessenausgleich verwendet. Einmütigkeit wurde dabei eher proklamiert, als wirklich geschaffen. Die Formulierung eines pointierten politischen Programms kam dagegen kaum zustande.
Quellen
Offizieller Bericht des Ersten Reichsparteitages der Deutschen Zentrumspartei. Tagung
zu Berlin vom 19. bis 22. Januar 1920, Berlin o. J.
Literatur
MORSEY, Rudolf, Die Deutsche Zentrumspartei 1917-1923 (Beiträge zur Geschichte des
Parlamentarismus und der politischen Parteien 32), Düsseldorf 1966,
S. 285-297.
RUPPERT, Karsten, Die Deutsche Zentrumspartei und die Weimarer Demokratie 1918-1933,
in: PYTA, Wolfram u. a. (Hg.), Die Herausforderung der Diktaturen. Katholizismus in
Deutschland und Italien 1918-1943/45 (Reihe der Villa Vigoni 21), Tübingen 2009, S. 13-38.