Dokument-Nr. 12706
Mayer, Michael an Pius XI.
Neukirchen, 01. Mai 1923

Heiliger Vater!
Die vielen Wohltaten, welche Eure Heiligkeit unserm Volke schon erwiesen haben, ermutigen mich, in einem schweren Anliegen Ihre Hilfe anzurufen. Meine 500 Pfarrkinder leben in 40 Ortschaften unter 3.000 Protestanten. Ist schon das ein großer Übelstand, noch schlimmer ist es, daß wir nicht eimal [sic] eine eigene Kirche haben; wir müssen mit den Protestanten in derselben Kirche unsern Gottesdienst halten, und zwar zuerst. Das ist besonders im Winter schlimm, weil die Leute daheim schon im Finstern fortgehen müssen und viele einen weiten und schlechten Weg haben. Die Folge davon ist, daß manche nur wenig in die Kirche kommen. Da ist es kein Wunder, wenn manche im Glauben lau werden. Das sind [sic] man auch an der großen Zahl der Mischehen, von denen die meisten noch dazu protestantische Kindererziehung haben. Da wir eilen müssen, um den Gottesdienst zur rechten Zeit zu beendigen, leidet auch der Empfang der heiligen Sakramente und kann manchem im Beichtstuhle nicht so viel Zeit gewidmet werden, als wünschenswert wäre.
Bei solchen Verhältnissen ist es begreiflich, wenn wir den Wunsch haben, eine eigene Kirche zu bekommen. Leider ist der größte Teil der Pfarrkinder arm. Darum richte ich an Eure Heiligkeit die innige Bitte, uns doch einen
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kleinen Betrag zu schicken, damit wir doch bald andere kirchliche Verhältnisse bekommen. Die Leute bringen zum Teil wirklich große Opfer, um ihre Sonntagspflicht erfüllen zu können; es ist bei einem großen Teile sehr viel guter Wille da. Haben wir eine eigene Kirche, dann kann man auch jenen leichter beikommen, welche etwas gleichgültig sind. Wird uns jetzt in diesem Anliegen geholfen, dann auch in einem anderen; es sind nämlich jetzt so viele ohne Arbeit; wir könnten dann jetzt auch manche wieder beschäftigen. So eben war ein Familienvater bei mir um Arbeit, ich mußte ihn wieder fortschicken, da ich bloß für etwa 5 Männer Arbeit habe und das auch nur für 3 Wochen. Selbst Protestanten bitten bei mir um Arbeit. Verschmähen Sie darum meine Bitte nicht – um der lieben Muttergottes nicht, deren Monat wir heute angefangen haben. Auf sie, die wir die Hilfe der Christen nennen, habe ich mein Vertrauen gesetzt, daß sie uns durch Eure Heiligkeit hilft. Meine Pfarrei gehört zur Diözese Eichstätt und es ist auch der Wunsch unseres Oberhirten, daß er bei uns die Firmung bald in einer eigenen Kirche spenden kann.
Indem ich für mich und alle meine Pfarrkinder um den päpstlichen Segen bitte, verbleibe ich
Eurer Heiligkeit gehorsamster Sohn
Michael Mayer
Pfarrer
Empfohlene Zitierweise
Mayer, Michael an PiusXI. vom 01. Mai 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 12706, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/12706. Letzter Zugriff am: 07.05.2024.
Online seit 23.07.2014, letzte Änderung am 25.02.2019.