Dokument-Nr. 12764
Meister, Franz Xaver
an Pius XI.
Ingolstadt, 12. Februar 1923
Die große Not und das unfaßbare Elend das der Krieg über unser geliebtes Bayerland [sic] gebracht hat und die fortschreitende Teuerung drücken mich zu Boden. Ich bin strenger Katholik und verliere den Mut und die Hoffnung nicht ganz, da ich mit Bestimmtheit rechne, daß der liebe Hergott [sic] doch noch ein Einsehen mit uns unschuldigen, harmlosen Menschen haben wird. Seit 25 Jahren meiner glücklichen Ehe habe ich meine 6 köpfige Familie ernährt und heute noch verdiene ich durch mein Agenturengeschäft etwa 2.000 M per Tag, das aber bei den heutigen Lebensmittelpreisen nicht zu Leben, noch viel weniger zu etwas anderem reicht. Vermögen und Grundbesitz habe ich nicht und ich bin nicht einmal im Stande mir
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und meiner Frau ein par [sic] Stiefel und einen Anzug zu kaufen. Zum Betteln schämen wir uns, auch möchten wir unserer gut erzogenen Kinder wegen nicht an die Stadtgemeinde als Bettler herantreten, was uns schwer und hart ist; ich zähle 54 Jahre und möchte ehrlich vor unseren lieben Herrgott einmal Abrechnung halten, weshalb ich mich ehrfurchtsvoll an Eure Heiligkeit mit der inständigsten Bitte wende, mir eine, wenn auch kleine Unterstützung zukommen zu lassen, was ich zur Anschaffung dringend nötiger Schuhe und Kleider verwenden würde, den ein Anzug heute 160-180.000 Mk 209r
ein par gewöhnliche Stiefel 85-90 000 Mk ist beim größten Fleiß und Sparsamkeit unerschwinglich. Ich gebe als strenger gottesfürchtiger Christ die eidesstattliche Versicherung Ew. Heiligkeit, daß ich kein Schwindler oder Geldherauslaßer bin und es mir hart genug fällt, diese Zeilen zu schreiben. Ende dieses Monats wäre uns das Glück mit unseren 4 Kindern das Fest der silb. Hochzeit feiern zu können, wofür wir den gütigen Himmel danken; es stehen uns harte Zeiten bevor in unseren alten Tagen.Ich bitte Euer Heiligkeit inständigst um eine kleine Unterstützung und verbleibe
Ehrfurchtsvoll gehorsamst
Franz Xaver Meister Kaufmann
Agenturen