TEI-P5
                        
                            Der Prozeß Lama-Doehring, in: Bayerischer Kurier und Münchener Fremdenblatt
                         
                        
                        In der Privatklagesache, die von Herrn v. Lama (vertreten
        durch Herrn Justizrat Dr. Warmuth) gegen D. Doehring und Genossen wegen Beleidigung
        angestrengt hatte [sic], hat, wie vor kurzem mitgeteilt, das Amtsgericht Füssen das
        Verfahren eingestellt, weil die Straftat unter das Amnestiegesetz falle. Gegen diese
        Entscheidung legten sowohl der Vertreter des Privatklägers wie die Privatbeklagten
        Beschwerde beim Landgericht Kempten ein. Die Strafkammer des Landgerichts Kempten hat aber
        durch Beschluß vom 16. März 1929 diese Beschwerde verworfen. Da eine weitere
        Beschwerde nicht möglich ist, ist die von Herrn v. Lama angestrengte Privatklage hiermit nun
        endgültig erledigt. Die Begründung des Beschlusses des Landgerichts geht von der Tatsache
        aus, "daß sich die beiden Parteien darüber einig waren, daß über die Anwendung des Gesetzes
        betreffend die Straffreiheit (Amnestiegesetzes) eine gerichtliche Entscheidung zu treffen
        sei, wenn sie auch hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens selbst einen ablehnenden
        Standpunkt einnehmen". Beide hätten übereinstimmend geltend gemacht, daß von keiner Partei
        ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt worden sei und daß daher kein Anlaß zur
        Fassung des amtsgerichtlichen Beschlusses bestanden habe; die Privatbeklagten hätten
        ausdrücklich bestritten, daß sie aus politischen Beweggründen gehandelt hätten; der
        Privatkläger habe darauf hingewiesen, daß diese Erklärung der gerichtlichen Entscheidung
        zugrunde zu legen sei. Die Erklärung der Privatbeklagten stehe aber mit dem tatsächlichen
        Inhalt der Veröffentlichungen nicht im Einklang. Der Begriff "politische Beweggründe" müsse
        nach dem üblichen Sprachgebrauch aufgefaßt werden; er erschöpfe sich nicht mit den
        öffentlichen Angelegenheiten, die den Staat und die zwischenstaatlichen Beziehungen
        beträfen; es fiele darunter auch das äußere Verhältnis der Religionsgesellschaften zu
        einander und die etwa sich ergebenden Erörterungen über beiderseitige Belange, da sie mit
        dem gesamten Staatsleben in engem Zusammenhang stünden. Die politische Absicht brauche nicht
        ausschließlicher oder überwiegender Beweggrund gewesen zu sein; es genüge, daß sich der
        Täter überhaupt von politischen Beweggründen habe leiten lassen. Im gegebenen Falle sei das
        Vorhandensein von politischen Beweggründen zu bejahen. Die drei Artikel, die die
        Beleidigungen enthielten, befaßten sich mit einer politischen Angelegenheit (der
        diplomatischen Behandlung der päpstlichen Friedensaktion durch die Reichsregierung und der
        Einwirkung der publizistischen Tätigkeit des Privatklägers auf den konfessionellen Frieden);
        die Ausführungen seien in einer politischen Auseinandersetzung erfolgt und hätten sich gegen
        den Privatkläger als politischen Gegner gerichtet.
     
                        
                             
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