Verhandlungen zwischen Richard von Kühlmann und den Vertretern der Mehrheitsparteien über ein Regierungsprogramm Georg von Hertlings
Der Kompromiss sah vor, dass die von Reichskanzler Georg Michaelis vorgeschlagene Trennung der Ämter des Reichskanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten beim Rücktritt Michaelis' nicht durchgeführt werden sollte. Neben Reichskanzler Michaelis sollte auch Vizekanzler Karl Helfferich seinen Posten als Vizekanzler räumen. Artikel 9 der Reichsverfassung sollte nicht aufgehoben, dafür jedoch die Parlamentarisierung de facto voran getrieben werden. Der preußische Abgeordnete Robert Friedberg (Nationalliberale Volkspartei) sollte Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums werden, der Reichstagsabgeordnete Heinrich Dove oder ein anderer Abgeordneter der Fortschrittlichen Volkspartei preußischer Handelsminister und der preußische Abgeordnete Siegfried von Kardorff (Freikonservative Partei) sollte Unterstaatssekretär im preußischen Staatsministerium werden. Ihre Mandate sollten sie trotz der Übernahme von Regierungsämtern auch ohne Verfassungsänderung behalten. Nach dieser Regelung hätte mit Hertling ein ehemaliger Zentrumsabgeordneter und mit Friedberg ein Nationalliberaler die Führung in Preußen inne. Darüber hinaus sollte Elsass-Lothringen den Status eines gleichberechtigten Bundesstaats erhalten.
Hertling stimmte dem Kompromiss zu, Kaiser Wilhelm II. ebenfallS. Am 30. Oktober hatte der Interfraktionelle Ausschuss die Kanzlerschaft und preußische Ministerpräsidentschaft Hertlings noch abgelehnt. Die Zentrumspartei unter Karl Trimborn und Erzberger konnte sich in der Sitzung am 31. Oktober mit ihrer Zustimmung zur Kanzlerschaft Hertlings durchsetzen. Die Fortschrittliche Volkspartei und die Mehrheitssozialdemokraten stimmten unter Vorbehalt zu, um die Reichstagsmehrheit nicht zu spalten.
Sources
MATTHIAS, Erich / MORSEY, Rudolf (Hg.), Der Interfraktionelle Ausschuß 1917/18,
Bd. 1 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien.
Reihe 1: Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik 1),
Düsseldorf 1959, Nr. 74a-b, S. 380-384, Nr. 75, S. 385-408.
Bibliography
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 5: Weltkrieg,
Revolution und Reichserneuerung 1914-1919, Stuttgart u. a. 1978, S. 388-395.