Pacelli-Punktation I vom Oktober 1919 (Verhandlungen über ein Konkordat mit Bayern)
Im folgenden geben wir den Text der Pacelli-Punktation I wieder:
"1. Die Kirche ernennt frei alle kirchlichen Stellen ohne Mitwirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinden. Der Staat wird auch weiterhin wie bisher seine Beiträge leisten, einschließlich der sog[enannten] freiwilligen, und werden letztere bei der Ablösung eingerechnet werden.
2. Bei der Ernennung der Professoren an den theologischen Fakultäten der Universitäten bringt der Staat einen oder mehrere geeignete Kandidaten dem Ordinarius der Diözese in Vorschlag; dessen Zustimmung ist notwendig vor der Ernennung. Auch müssen an der philosophischen Fakultät jeder Universität wenigstens ein Professor der eigentlichen Philosophie und ein Professor für Geschichte sein, deren kirchlicher Standpunkt nach dem Urteile des Ordinarius sicher ist.
3. Die Lyzeen für die philosophische und theologische Ausbildung der Kleriker sind bischöfliche Anstalten und als solche abhängig vom Ordinarius, der die Rektoren und Professoren frei ernennt.
4. Wenn ein Professor der Universität vom Ordinarius als unfähig erachtet wird wegen seiner Lehrtätigkeit oder wegen seiner moralischen Haltung, wird er entfernt.
5. Ebenso werden die Religionslehrer an Mittelschulen auf Vorschlag des Ordinarius ernannt und werden nach Antrag desselben entfernt auf die oben angeführten Gründe hin.
6. Die Kirche ist berechtigt, ihr Vermögen frei zu verwalten. Der Kirche steht das Recht zu, von ihren Gliedern Steuer zu erheben und über die Verwendung derselben frei zu verfügen. Der Staat wird die Kirchensteuer gegen eine mäßige Vergütung mit den Staatssteuern erheben.
7. Die Gebäude und Grundstücke des Staates, die derzeit unmittelbar oder mittelbar kirchlichen Zwecken dienen, werden in das Eigentum der Kirche übertragen; die jetzt dem Staate obliegende Baupflicht und die Baulasten werden angemessen abgelöst.
8. Der Staat muß die Verfügungen der kirchlichen Oberbehörden innerhalb des kirchlichen Bereiches anerkennen und nötigenfalls ausführen.
9. Beim Heere, in den Strafanstalten, Pflegeanstalten und Krankenhäusern wird eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und werden vom Staate hierfür die nötigen finanziellen Mittel sowie die erforderlichen Räume, Utensilien und Paramente beschafft.
10. Orden und Congregationen dürfen frei gegründet werden, sind rechtsfähig nach dem für alle Bürger und Gesellschaften geltenden Rechte, haben die selbstständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten dem Staate gegenüber. Ihr Eigentum und ihre anderen Rechte sind gewährleistet."
Sources
Die Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns an Pacelli vom 12. September 1919; Dokument Nr. 2810.
Pacelli an Gasparri vom 30. Oktober 1919; Dokument
Nr. 4127.
Pacelli an Faulhaber mit Pacelli-Punktation I vom 28. November 1919, in: VOLK,
Ludwig, Akten Kardinal Michael von Faulhabers 1917-1945, Bd. 1: 1917-1934
(Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte A 17), Mainz 1975, Nr. 54,
S. 116 f.
Bibliography
BUSLEY, Hermann-Joseph, Bayerisches Konkordat 1924, in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Last access: 24.07.2013).
MASER, Hugo, Evangelische Kirche im demokratischen Staat. Der bayerische Kirchenvertrag
von 1924 als Modell für das Verhältnis von Staat und Kirche, München 1983, S. 59.
Pacelli-Punktation II vom Februar 1920 (Verhandlungen um ein Konkordat mit Bayern);
Schlagwort Nr. 260.
SEIBERT, Norbert, Christliche Volksschule in einer säkularisierten Gesellschaft?
Traditionslinien und Probleme der Pflichtschule, Bad Heilbrunn 1995, S. 161,
Anm. 218.
Recommended quotation
Pacelli-Punktation I vom Oktober 1919 (Verhandlungen über ein Konkordat mit Bayern), in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 1118, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/1118. Last access: 02-04-2025.