Mission Gustavo Testas im besetzten Rheinland und in der Pfalz 1923/24

Das Rheinland war seit dem Ende des Ersten Weltkriegs von den Mächten der Entente besetzt. Im Januar 1923 marschierten zudem aufgrund des Streits um die deutschen Reparationsleistungen alliierte Truppen ins Ruhrgebiet ein. In all diesen Gebieten gab es eine katholische Bevölkerungsmehrheit. Die von den Zwangsmaßnahmen hervorgerufene Aufwallung nationaler Empörung in Deutschland wurde auch auf Seiten der katholischer Laien und Kleriker geteilt. Beide Konfliktparteien bemühten sich dabei um die Unterstützung des Papstes. Mit der Behauptung, "farbige" Besatzungstruppen verübten Übergriffe, bekam die Diskussion zudem eine rassistische Note.
Das Bedürfnis, sich unabhängig zu informieren, veranlasste den Heiligen Stuhl, einen Vertreter in die besetzten Gebiete zu entsenden. Dafür wurde Gustavo Testa ausgewählt. Pacelli, der als Apostolischer Nuntius in Bayern bzw. Deutschland eigentlich für diese Aufgabe prädestiniert gewesen wäre, wurde übergangen, weil er einerseits in München zu weit von den Geschehnissen entfernt war und andererseits weil er nicht nur in Frankreich, sondern auch an der Römischen Kurie als allzu empfänglich für die deutschen Forderungen galt. Testa dagegen war auf der internationalen Bühne unbekannt, aber seit 1920 Mitarbeiter des Staatssekretariats.
Die formell rein religiöse Mission hatte selbstverständlich eine politische Dimension. Sie sollte sowohl der Disziplinierung der Ortskirche, als auch der Stärkung des Einfluss des Heiligen Stuhls in den internationalen Beziehungen dienen. Testa sollte die von beiden Seiten erhobenen Vorwürfe untersuchen. Seine genauen Instruktionen sind jedoch nicht überliefert.
Testa reiste im März 1923 über Paris ins Rheinland, hielt sich zumeist im besetzten Gebiet auf, reiste aber auch nach Berlin zur Reichsregierung und nach München zu Pacelli. Längeren Aufenthalt nahm er in Essen. Testa ging sehr zurückhaltend vor, führte Gespräche mit zivilen, militärischen und kirchlichen Stellen. Er stellte dabei fest, dass es keine Übergriffe "farbiger" oder weißer Besatzungstruppen gebe und dass die Zwangsmaßnahmen nicht über das übliche Maß militärischer Besetzungen hinausgingen. Der passive Widerstand lähme jedoch das öffentliche Leben, auch seien die Besatzungsmächte durchaus zu schärferen Maßnahmen bereit. Testa gestand aber dem deutschen Widerstand ein durchaus ehrenhaftes Vorgehen zu und warnte schließlich vor der Gefahr des Separatismus. Eine Abtrennung des Rheinlandes würde einen großen Sieg für den Protestantismus in Deutschland bedeuten.
Testa empfahl als Maßnahme des Heiligen Stuhls einen allgemeinen Appell zur Mäßigung und zum Frieden sowie zur Freilassung der politischen Gefangenen und zur Rückkehr der Ausgewiesenen mit dem Ziel einer ersten Annäherung der verfeindeten Mächte. Dementsprechend richtete Pius XI. seinen offenen Brief "Quando nel principio" vom 24. Juni 1923 an Gasparri. Dieser wurde von der deutschen Regierung begrüßt, von der französischen dagegen zurückgewiesen. Sie entzog Testa daraufhin die Erlaubnis, Gefängnisse zu besuchen.
Im September 1923 beendete die Reichsregierung den passiven Widerstand. Testa widmete sich in den Folgemonaten vor allem der Sache der Gefangenen und konnte dabei gewisse Erfolge für sich verbuchen. Nach Unterzeichnung des Dawes-Planes im Juli 1924 begann der Rückzug der Besatzungstruppen von der Ruhr. Im September 1924 kehrte auch Testa nach Rom zurück.
Bibliography
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Recommended quotation
Mission Gustavo Testas im besetzten Rheinland und in der Pfalz 1923/24, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 17099, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/17099. Last access: 21-12-2024.
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