Katholische Arbeitervereine
Einen neuen Anstoß zur Gründung katholischer Arbeiterinnen- und Arbeitervereine gab Leo XIII. mit seiner Enzyklika "Humanum genus" vom 20. April 1884, die sogar gewerkschaftliche Zusammenschlüsse von Arbeitern zur Durchsetzung ihrer Interessen empfahl. Diesen Impuls griff vor allem Franz Hitze auf. Die Arbeitervereine, deren Anzahl schnell wuchs, waren aber vor allem unter dem Eindruck des Kulturkampfs nicht mehr interkonfessionel, sondern dezidiert katholisch. Die katholischen Arbeitervereine waren nach dem Pfarrsystem organisiert. In der Regel gab es neben dem von den Arbeitern gewählten Vorsitzenden einen geistlichen Präses. Die Diözesanpräsides der Diözesanverbände wurden von den Bischöfen ernannt. Die Hauptaufgaben der Arbeitervereine bestanden in der religiösen, weltanschaulichen, wissenschaftlichen und staatsbürgerlichen Schulung ihrer Mitglieder. Dieses Programm richtete sich vor allem gegen die Sozialdemokratie, aber auch gegen liberale Gewerkschaften. Die christliche Botschaft sollte die Soziale Frage lösen und den Klassenkampf überwinden. Einen Schwerpunkt des Vereinslebens bildete die Förderung des religiösen Lebens. Hinzu kamen Unterstützungsleistungen für Mitglieder. Zu diesen zählten nur Arbeiter bzw. Arbeiterinnen, keine sozial eingestellten Bürger oder Handwerker. Die Arbeitervereine kooperierten eng mit dem "Verband Arbeiterwohl" und dem "Volksverein für das katholische Deutschland". Sie bildeten zudem regionale Zusammenschlüsse: unter anderem 1891 den "Verband Süddeutscher Katholischer Arbeitervereine", 1897 den "Verband Katholischer Arbeitervereine Nord- und Ostdeutschlands", der seit 1903 "Verband der Katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Berlin" hieß und von dem sich 1910 der "Ostdeutsche Verband der Katholischen Arbeitervereine" absetzte, sowie 1903 den "Verband katholischer Arbeitervereine Westdeutschlands". Bis 1914 erlangte letzterer eine dominierende Stellung.
Der große Erfolge der sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften auch unter der katholischen Arbeiterschaft löste Anfang der 1890er Jahren den sogenannten Gewerkschaftsstreit aus. Dabei ging es um die Frage, ob interkonfessionelle christliche Gewerkschaften oder gewerkschaftliche Abteilungen innerhalb der großen katholischen Arbeitervereine die richtige Antwort auf diese Entwicklung seien. Besonders der integralistische "Verband Sitz Berlin" wandte sich entschieden gegen die christlichen Gewerkschaften. Wenngleich der hart ausgefochtene Gewerkschaftsstreit mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs an Bedeutung verlor, schwelte er auch in der Weimarer Republik weiter.
Schon vor dem Ausbruch des Kriegs begannen sich die Arbeitervereine zu politisieren, obwohl das teilweise restriktive deutsche Vereinsrecht dem entgegenstand. Diese Tendenz kam in der Weimarer Republik voll zum Durchbruch. Während sich die christlichen Gewerkschaften politisch nach rechts orientieren, bekannten sich die meisten Arbeitervereine klar zur Republik. Daneben kritisierten diese "Auswüchse" des Kapitalismus und befürworteten sogar die Sozialisierung bestimmter Schlüsselindustrien. Sie betonten dabei aber stets, dass eine moralische Umkehr am wichtigsten sei, um die Lage der Arbeiter zu verbessern. Der "Kartellverband katholischer Arbeiter- und Arbeiterinnen-Vereine Deutschlands", in dem sich 1911 die fünf größten Verbände der katholischen Arbeitervereine zusammengeschlossen hatten, wurde 1927 in den straffer organisierten "Reichsverband der Katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine Deutschlands" umgewandelt. In ihm waren 1927 rund 2.600 Vereine mit ungefähr 282.000 Mitgliedern organisiert. Unter maßgeblicher Mitarbeit deutscher Arbeitervereinsfunktionäre konstituierte sich in Köln 1928 die "Katholische Arbeiterinternationale". Im Nationalsozialismus waren die katholischen Arbeitervereine schweren Repressionen ausgesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Wiederaufbau.
Bibliography
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