Schreiben Matts an Pacelli vom 9. Dezember 1921
"Seit langem empfinde ich es mit tiefem Bedauern, daß ich Euer Exzellenz meine Stellungnahme zu dem Reste der Punktationen nicht so rasch mitteilen konnte, wie ich es in meinem ergebenen Schreiben vom 28. Mai d. J. glaubte in Aussicht stellen zu können. Der Grund dafür lag in der Unfertigkeit der Gesetzgebung des Reichs, die nach der Sachlage in vielem den Ausgangspunkt für die Stellungnahme der bayerischen Regierung bei den Konkordatsverhandlungen bilden muß. Wie das Reichsschulgesetz, auf dessen baldige Annahme im Reichstage ich bei meinem ergebenen Schreiben vom 28. Mai d. J. rechnete, heute dort noch nicht einmal in Behandlung genommen ist, so ist auch das zu erwartende Reichsgesetz über die Lehrerbildung, das die organisatorische Grundlage auch für die bayerischen Konkordatsverhandlungen bilden sollte, noch nicht erlassen. Vor kurzem ist nun zwar der Entwurf dazu von der Reichsregierung mitgeteilt worden, jedoch in einer Form, daß auf sehr langwierige Vorverhandlungen darüber gerechnet werden muß. Ich glaube deshalb mit der Fortführung der Verhandlungen nicht bis zur endlichen Verabschiedung der erwähnten Reichsgesetze warten zu sollen, sondern auf der Grundlage des heutigen Rechtszustandes eine Regelung versuchen zu müssen. Daß sich daraus gewisse Schwierigkeiten in der Folge ergeben können, wird dabei im Auge behalten werden müssen. Denn es ist nicht nur mit der Möglichkeit zu rechnen, daß vor dem Abschluß der Konkordatsverhandlungen ein Reichsgesetz eine der darin behandelten Fragen anders regelt, sondern es besteht auch die Gefahr, daß von der Reichsregierung, die nach der Euer Exzellenz am 15. November 1920 abgegebenen Erklärung die Vorlage der bayerischen Konkordatsverhandlungen vor ihrem endgültigen Abschluß erwartet, gegen einzelne solche Regelungen ein Widerspruch erhoben oder in einer sonstigen Weise eine Verzögerung herbeigeführt wird. In der Anlage beehre ich mich, Euer Exzellenz zu einem Teile der noch ausstehenden Punktationen meine Anschauungen mitzuteilen. Über die letzten Punkte und über die eigenen Anträge Bayerns zum Konkordate hoffe ich Euer Exzellenz gleichfalls in allernächster Zeit eine Mitteilung zugehen lassen zu können."
Bibliography
DEUERLEIN, Ernst, Das Reichskonkordat. Beiträge zur Vorgeschichte, Abschluß und
Vollzug des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom
20. Juli 1933, Düsseldorf 1956, S. 44 f.