TEI-P5
Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags übernahm Anfang Februar 1920 eine
Interalliierte Kommission die Verwaltung Oberschlesiens, um die Sicherheit im Abstimmungsgebiet
zu gewährleisten. Zwischen der Interalliierten Kommission und dem Breslauer Fürstbischof Adolf
Kardinal Bertram kam es umgehend zu Spannungen: Bertram wollte eine Visitationsreise nach
Oberschlesien durchführen, um seinen bischöflichen Pflichten (Firmungen und eine
Kirchenkonsekration) nachzukommen, doch die Interalliierte Kommission verweigerte ihm die
Einreise. Der Kardinal wollte mit dieser Reise demonstrieren, dass er weiterhin die kirchliche
Jurisdiktionsgewalt in diesem Teil seiner Diözese innehatte, denn schließlich hatte Polen beim
Heiligen Stuhl die Einsetzung eines Apostolischen Vikars für Oberschlesien gefordert. Bertram
suchte die Unterstützung des polnischen Nuntius Achille Ratti, der sein Amt als Apostolischer
Oberkommissar für die Plebiszitgebiete offiziell erst Mitte Juni 1920 an trat, aber bereits
Anfang April erstmals nach Oberschlesien kam. Der Nuntius sicherte dem Fürstbischof seine
Intervention zu. Doch bis Juni übernahm Ratti die Argumentation der Interalliierten Kommission
und Polens: Bertram beeinflusse die oberschlesische Bevölkerung im deutschen Sinne, weshalb
seine Einreise nach Oberschlesien abzulehnen sei.
Als Reaktion forderte Bertram die Interalliierte Kommission mit seinem Antrag auf eine permanente Einreisegenehmigung nach Oberschlesien herauS. Wie vorauszusehen gewesen war, lehnte diese ab. Daraufhin forderte Bertram nun auch Ratti heraus, indem er diesen bat, die diffizile Angelegenheit zu regeln.
Durch den Ausbruch des II. Polnischen Aufstands in Oberschlesien Mitte August 1920 stellte sich die Einreisefrage vorerst nicht mehr. Das Thema wurde erst im Herbst erneut aufgeworfen. Mittlerweile verfolgte der Heilige Stuhl eine Doppelstrategie: Kardinalstaatssekretär Gasparri wies Ratti an, eine Einreiseerlaubnis für Bertram bei der Interalliierten Kommission zu erwirken. Dies geschah allerdings nur unter der Bedingung, dass Bertram, selbst wenn die Einreiseerlaubnis vorliegen sollte, von einer Visitationsreise absehen würde. Am 5. November 1920 fand ein Treffen zwischen Bertram und Ratti statt, in dessen Verlauf der Kardinal den Nuntius beleidigte – es kam zum persönlichen Bruch zwischen dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Bertram, und dem zukünftigen Papst Pius XI., Ratti. Papst Benedikt XV. entschied sich, die Auseinandersetzung zu beenden. Er ließ Bertram durch Pacelli dazu auffordern, die Notwendigkeit der Reise zu überdenken. Dem Wunsch des Papstes konnte sich Bertram kaum widersetzen, selbst als die Interalliierte Kommission dem Druck des Heiligen Stuhls nachgab und die Einreise genehmigte.
Online seit 14.01.2013, letzte Änderung am 25.02.2019. Als PDF anzeigen
Visitation Adolf Kardinal Bertrams in Oberschlesien
Als Reaktion forderte Bertram die Interalliierte Kommission mit seinem Antrag auf eine permanente Einreisegenehmigung nach Oberschlesien herauS. Wie vorauszusehen gewesen war, lehnte diese ab. Daraufhin forderte Bertram nun auch Ratti heraus, indem er diesen bat, die diffizile Angelegenheit zu regeln.
Durch den Ausbruch des II. Polnischen Aufstands in Oberschlesien Mitte August 1920 stellte sich die Einreisefrage vorerst nicht mehr. Das Thema wurde erst im Herbst erneut aufgeworfen. Mittlerweile verfolgte der Heilige Stuhl eine Doppelstrategie: Kardinalstaatssekretär Gasparri wies Ratti an, eine Einreiseerlaubnis für Bertram bei der Interalliierten Kommission zu erwirken. Dies geschah allerdings nur unter der Bedingung, dass Bertram, selbst wenn die Einreiseerlaubnis vorliegen sollte, von einer Visitationsreise absehen würde. Am 5. November 1920 fand ein Treffen zwischen Bertram und Ratti statt, in dessen Verlauf der Kardinal den Nuntius beleidigte – es kam zum persönlichen Bruch zwischen dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Bertram, und dem zukünftigen Papst Pius XI., Ratti. Papst Benedikt XV. entschied sich, die Auseinandersetzung zu beenden. Er ließ Bertram durch Pacelli dazu auffordern, die Notwendigkeit der Reise zu überdenken. Dem Wunsch des Papstes konnte sich Bertram kaum widersetzen, selbst als die Interalliierte Kommission dem Druck des Heiligen Stuhls nachgab und die Einreise genehmigte.
Literatur
FATTORINI, Emma, Germania e Santa Sede. Le nunziature di Pacelli tra la Grande guerra e la
Repubblica di Weimar (Annali dell'Istituto storico italo-germanico Monografia 18), Bologna
1992, S. 231-264.
HINKEL, Sascha, Adolf Kardinal Bertram. Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der Weimarer
Republik (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 117), Paderborn u. a.
2010, S. 165-175.
HITZE, Guido, Carl Ulitzka (1873-1953). Oberschlesien zwischen den Weltkriegen
(Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 40), Düsseldorf 2002, S. 321-326.
MOROZZO DELLA ROCCA, Roberto, Achille Ratti e la Polonia (1918-1921), in: Achille Ratti
Pape Pie XI: Actes du colloque. Rome, 15-18 mars 1989 (Collection de l'École
Française de Rome 223), Rom 1996, S. 95-122, in: www.persee.fr (Letzter Zugriff am: 11.12.2018).
STEHLIN, Stewart A., Weimar and the Vatican 1919-1933. German-Vatican Relations in the
Interwar Years, Princeton, New Jersey 1983, S. 112-121.
Empfohlene Zitierweise
Visitation Adolf Kardinal Bertrams in Oberschlesien, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 6097, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/6097. Letzter Zugriff am: 19.05.2025.