Verhältnis von Kirche und Staat in Baden

Das im Zuge der Säkularisation und der napoleonischen Herrschaft entstandene Großherzogtum Baden erhielt mit der Bulle "Provida solersque" vom 16. August 1821 das Erzbistum Freiburg als Landesbistum. Das Bischofswahlrecht wurde in der Bulle Leos XII. "Ad Dominici gregis custodiam" vom 11. April 1827 geregelt. Der Staat vertrat ein striktes Staatskirchentum, das mit einer Landesherrlichen Verordnung vom 30. Januar 1830 für die folgenden Jahrzehnte rechtlich fixiert wurde.
Unter Erzbischof Hermann von Vicari (reg. 1842-1868) regte sich vor allem beim Umgang mit konfessionsverschiedenen Ehen Widerstand. Das Gesetz vom 9. Oktober 1860 machte den Kirchen Zugeständnisse und befriedete den Konflikt zunächst. Jedoch kündigte sich der badische Kulturkampf bereits 1864 an, als die paritätisch kirchlich-staatliche Aufsicht über die Volksschulen die konfessionelle Schulaufsicht ablöste. Der Kulturkampf begann 1867 und ließ Ende der 1870er Jahre nach. Trotz gewisser Milderungen in den 1880er Jahren wurde der Zustand von 1860 jedoch nicht wieder hergestellt. Bis zum Ersten Weltkrieg erreichten die Freiburger Erzbischöfe und die Zentrumspartei nur noch kleinere Lockerungen.
Die Novemberrevolution beseitigte auch das badische Staatskirchentum. Das Gesetz von 1860 wurde durch § 18 der Badischen Verfassung vom 25. März 1919 und Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 abgelöst. Die römische-katholische Kirche war nun eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die innerlich autonom war, auf vielen Gebieten aber mit dem Staat zusammenarbeitete und von diesem weiter finanzielle Zuwendungen erhielt. Einige gesetzliche Vorgaben, etwa über Mindestqualifikationen von Seelsorgern, blieben bestehen. Bis auf kleinere Anpassungen blieb das Staatskirchenrecht in Baden in den folgenden Jahren unverändert. Ungeklärt blieb längere Zeit die Frage nach der Weitergeltung der Bullen von 1821 und 1827. Das von Kardinalstaatssekretär Pacelli ausgehandelte Konkordat mit Baden vom 12. Oktober 1932 regelte schließlich diese Frage.
Literatur
Badisches Gesetz, die rechtliche Stellung der Kirchen und kirchlichen Vereine im Staate betreffend, vom 9. Oktober 1860; Schlagwort Nr. 924.
Badische Verfassung vom 21. März 1919, § 18; Schlagwort Nr. 28064.
Bulle Leos XII. "Ad Dominici gregis custodiam" vom 11. April 1827 und Breve "Re sacra" vom 28. Mai 1827; Schlagwort Nr. 2094.
Bulle Pius' VII. "Provida solersque" vom 16. August 1821; Schlagwort Nr. 2111.
FENSKE, Hans, Baden 1830 bis 1860, in: SCHWARZMAIER, Hansmartin, Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 3: Vom Ende des Alten Reiches bis zum Ende der Monarchien (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg), Stuttgart 1992, S. 79-132, hier 100-102.
FENSKE, Hans, Baden 1860-1918, in: SCHWARZMAIER, Hansmartin, Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 3: Vom Ende des Alten Reiches bis zum Ende der Monarchien (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg), Stuttgart 1992, S. 133-233, hier 143-146, 169-175, 184-188, 200-203.
Landesherrliche Verordnung die Ausübung des oberhoheitlichen Schutz- und Aufsichts-Rechts über die katholische Landeskirche betreffend vom 30. Januar 1830; Schlagwort Nr. 3344.
PLÜCK, Susanne, Das Badische Konkordat vom 12. Oktober 1932 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 41), Mainz 1984.
SCHMIDER, Christoph, Zum Verhältnis von Kirche und Staat in den ersten Jahrzehnten des Erzbistums Freiburg, in: SMOLINSKY, Heribert (Hg.), Geschichte der Erzdiözese Freiburg, Bd. 1: Von der Gründung bis 1918, Freiburg im Breisgau 2008, S. 77-119, hier 76-119.
Verhandlungen über ein Konkordat mit Baden; Schlagwort Nr. 1390.
Weimarer Reichsverfassung, Artikel 137; Schlagwort Nr. 25002.
Empfohlene Zitierweise
Verhältnis von Kirche und Staat in Baden, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1397, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1397. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 24.06.2016, letzte Änderung am 26.06.2019.
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