Kirchenrechtlicher Status von Eupen und Malmédy
Auch wenn Nicotra versuchte, seine Position den Weisungen des Heiligen Stuhls entsprechend neutral auszufüllen, kam es zu ersten Spannungen mit dem Kölner Erzbischof Karl Joseph Schulte und dem Klerus in Eupen-Malmédy, die sich nach der Volksbefragung am 23. Juli 1920 deutlich verschärften. Der Völkerbundrat übertrug am 20. September 1920 die volle Souveränität über Eupen-Malmédy an Belgien, woraufhin das Deutsche Reich Einspruch erhob. Damit war auch die kirchliche Jurisdiktion weiter unklar: Schulte betrachtete die Situation angesichts der deutschen Proteste als noch nicht entschieden, Belgien und der Heilige Stuhl hingegen bewerteten diese Einsprüche als aussichtslos. Nicotra blieb weiterhin Apostolischer Administrator, legte aber seine Neutralität ab und wies ab November 1920 die Kölner Zuständigkeit zurück. Schulte versuchte, die Eingliederung Eupen-Malmédy in eine belgische Diözese, namentlich Lüttich, wie sie die belgische Regierung forderte, zu verhindern und schlug die Ernennungen eines Apostolischen, faktisch aber erzbischöflichen Administrators vor (Dokument Nr. 8569).
Die Römische Kurie fand erneut einen Kompromiss, der auf die Intervention des deutschen Vatikanbotschafters Diegon von Bergen zurückging. Die Kreise Eupen und Malmédy wurden aus dem Erzbistum Köln ausgegliedert und in der neuen Diözese Eupen-Malmédy zusammengefasst, die vorerst in Personalunion mit der Diözese Lüttich gleichberechtigt geführt wurde (unio aeque principaliter). Bei der angestrebten Neuzirkumskription der belgischen Diözesen sollte sie ihren endgültigen Status erhalten. Die Bistumserrichtung ließ allerdings auf sich warten, auch weil die belgische Regierung die vatikanische Entscheidung nicht akzeptieren wollte. Der Pfarrklerus erhielt in dieser Zeit teilweise widersprüchliche Anweisung des Kölner Ordinariats, der Brüsseler Nuntiatur und des designierten Lütticher Ordinariats. So trieb Schulte den Konflikt mit Nicotra auf die Spitze, als er erklären ließ, dass dieser seit Juli 1920 keine Jurisdiktionsgewalt mehr in Eupen und Malmédy hätte und damit dessen Priestereinsetzungen nichtig seien.
Letztlich setzte sich der Heilige Stuhl gegen die belgischen Forderungen und die des Kölner Erzbischofs durch und die auf den 30. Juli 1921 datierte Errichtungsbulle für die Diözese Eupen-Malmédy wurde im September des Jahres versandt (Dokument Nr. 15801). Als Konzession an die belgische Regierung wurde die Priesterausbildung der neuen Diözese in Lüttich durchgeführt und hinsichtlich der Stellenbesetzung bildeten die Diözesen Eupen-Malmédy und Lüttich eine Einheit. Die unübersichtliche kirchliche Verwaltung in Eupen und Malmédy war damit (vorerst) endgültig geregelt und die Beziehungen zwischen Schulte, Nicotra und dem Lütticher Bischof Martin-Hubert Rutten normalisierten sich, zumindest auf offizieller Ebene.
Das Bistum Eupen-Malmédy hatte jedoch nicht lange Bestand. Bereits im Sommer 1923 forderte die belgische Regierung die Integration von Eupen-Malmédy in die Diözese Lüttich analog der geplanten staatlichen Verwaltungsreform. Die Kurie stimmte einer Änderung der gefundenen Kompromisslösung erst nach eineinhalbjährigen Verhandlungen zu. Mit der nicht veröffentlichten Bulle "Litteris apostolicis" vom 15. April 1925 wurde die Diözese Eupen-Malmédy aufgelöst und sie ging in die Diözese Lüttich auf. Für die Gebiete der ehemaligen Diözese wurde mit dem deutschsprechenden Lütticher Weihbischof Ludwig Kerkhof ein eigener Generalvikar ernannt, um der deutschen Minderheit Rechnung zu tragen.
Sources
Apostolische Bulle "Ecclesiae universae" vom 30. Juli 1921, in: Acta Apostolicae Sedis 13 (1921),
S. 467-469, in: www.vatican.va (Last access: 10.02.2016).
Gasparri an Pacelli vom 3. Februar 1920; Dokument
Nr. 5560.
Pacelli an Gasparri vom 25. Juni 1920; Dokument
Nr. 8569.
Gasparri an Pacelli vom 9. September 1921; Dokument
Nr. 15801.
Bibliography
HEGEL, Eduard, Das Erzbistum Köln, Bd. 5: Zwischen der Restauration des
19. Jahrhunderts und der Restauration des 20. Jahrhunderts 1815-1962, Köln
1987, S. 120-122.
HELBACH, Ulrich, Das Erzbistum Köln, Bd. 5, Kehl am Rhein 1998,
S. 23.
PABST, Klaus, Zwischenspiel: Das Bistum Eupen und Malmedy, 1921-1925, in: BOONEN,
Philipp (Hg.), Lebensraum Bistum Aachen. Tradition – Aktualität – Zukunft, Aachen 1982,
S. 27-62.
STEHLIN, Stewart A., Weimar and the Vatican 1919-1933. German-Vatican Relations in the
Interwar Years, Princeton, New Jersey 1983, S. 163-176.