Kurt Eisner
* 14. Mai 1867, ✝ 21. Februar 1919
Analyse
Eisner wurde seit Beginn seiner kurzen Amtszeit vom 7. November 1918 bis zum 21. Februar 1919 als bayerischer Ministerpräsident von Pacelli scharf kritisiert. Erst nach dessen Ermordung sah der Nuntius ihn im Vergleich mit den späteren Entwicklungen positiver.Es scheint so, als habe der Nuntius im November 1918 alle negativen Aspekte der bolschewistischen Revolution wie mit einer Schablone auf Eisner übertragen. Dieser war für Pacelli die personifizierte verachtenswerte Revolution. So fasste der Nuntius am 15. November 1918, noch immer tief beeindruckt von den Ereignissen der letzten Tage, den Ablauf der Novemberrevolution in München zusammen und urteilte dabei hart über Eisner. Dieser sei Atheist, Radikalsozialist, unversöhnlicher Propagandist, enger Freund russischer Nihilisten, Kopf der revolutionären Bewegungen in München, oft verhaftet worden wegen politischer Vergehen und noch dazu galizischer Jude. Eisner sei der Kopf, die Fahne und das Leben der bayerischen Revolution, welche das religiöse, politische und soziale Leben zerstöre. Der Revolutionär habe zu weiteren antiklerikalen Maßnahmen aufgerufen, habe sich bisher aber nicht durchsetzen können. Gemeinsam mit den Diplomatischen Corps in München beschloss Pacelli, ein Treffen mit Eisner zu vermeiden, das unter der Würde eines Apostolischen Nuntius sei ( Dokument Nr. 302).
Als Pacelli wenige Tage später zu einem solchen Besuch eingeladen wurde, lehnte er ab. Eisner habe in unwürdiger Art und Weise und viel zu spät mit der Nuntiatur Kontakt aufgenommen und er tue das nun nur aus wahltaktischen Überlegungen. Faktisch erkenne er aber die Rechte der katholischen Kirche nicht an ( Dokument Nr. 234). Nach Pacellis Auffassung fürchtete Eisner die Feindschaft der Katholiken, denn nur aus diesem Grund habe er in seinem Wahlprogramm die von ihm angestrebte Trennung von Staat und Kirche als "volle Freiheit für die Kirche" bezeichnet ( Dokument Nr. 3045).
Pacelli zweifelte daran, dass Eisner nach der vernichtenden Niederlage bei der bayerischen Landtagswahl vom 12. Januar 1919, bei der die USPD lediglich 2,53 % der Stimmen erreichte, die Kraft habe, einen Umsturz und eine tyrannische Diktatur des Proletariats zu verhindern, wie dies in Berlin gelungen sei ( Dokument Nr. 315). Er ging davon aus, dass die Münchener Räte ihre Machtposition trotz der Einberufung des Landtags würden festigen können. In Eisner sah er einen der Verfechter der Weltrevolution nach bolschewistischem Grundmuster ( Dokument Nr. 316). Doch in dieser Einschätzung lag Pacelli falsch, denn Eisner hatte seinen Rücktritt zu diesem Zeitpunkt schon im Blick.
Zwei Tage nach der Ermordung Eisners auf offener Straße vor der konstituierenden Sitzung des Landtags am 21. Februar 1919 schilderte Pacelli sachlich die Vorgänge. Der Nuntius kritisierte die unbesonnene Tat des Mörders Anton Graf von Arco-Valley, da jetzt ein revolutionärer Umsturz durch die Spartakisten zu erwarten sei ( Dokument Nr. 317).
Nun ändert sich die Bewertung Pacellis. Nach dem Ausbruch der zweiten Revolution in Bayern, die wesentlich gewalttätiger war als die erste, hielt der Nuntius Eisner nicht mehr wie noch Mitte Februar für einen der Anhänger eines bolschewistischen Umsturzes. Vielmehr habe dieser sich deutlich für eine friedliche Lösung des Konflikts ausgesprochen und sowohl die linke als auch die rechte Bewegung dazu aufgerufen, auf Gewalttaten zu verzichten. Eisner habe es abgelehnt, eine Revolution mit "Morden, Unruhen und Plünderungen" durchzusetzen ( Dokument Nr. 318). Merklich beeindruckt berichtete der Nuntius von der Beerdigung Eisners, die allerdings von der sozialistischen Propaganda für ihre Zwecke instrumentalisiert worden sei ( Dokument Nr. 319).
Quellen
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