Fall Joseph Wittig
Analysis
Joseph Wittig veröffentlichte 1922 in der Zeitschrift "Hochland" einen Artikel mit dem Titel "Die Erlösten", in dem er die Beichtpraxis und Rechtfertigungslehre der katholischen Kirche kritisierte und für ein freudiges Christentum und ein Vertrauen auf die göttliche Gnade appellierte. Dieser Artikel rief sowohl positive als auch negative Reaktionen hervor. Er wurde unter anderem als ein Bruch mit der katholischen Lehre aufgenommen und Wittig daher vielfach bei seinem Ordinarius, dem Breslauer Fürstbischof Adolf Kardinal Bertram, aber auch in Rom denunziert. Bertram griff jedoch nicht konsequent durch und nahm Wittig in Schutz (Dokumente Nr. 608 und Nr. 617). 1922 berichtete Pacelli dem Heiligen Stuhl über den "Fall Wittig" und kritisierte "Die Erlösten" als "zensurwürdig". In seinem Aufsatz "Die Kirche als Auswirkung und Selbstverwirklichung der christlichen Seele" erscheine Wittig als Kryptoprotestant und Neumodernist (Dokument Nr. 23 und Nr. 82). Pacelli machte bei diesem "das Fehlen einer soliden und sicheren theologischen Doktrin" aus (Dokument Nr. 81). Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri leitete die Denunziation zur Prüfung an das Heilige Offizium weiter (Dokument Nr. 5942). Wittig unterwarf sich wie gefordert der kirchlichen Lehre (Dokument Nr. 618).Es gab immer wieder die Forderung danach, Wittig die Lehrerlaubnis als Professor für Kirchengeschichte, Patrologie und kirchliche Kunst in Breslau zu entziehen. Die Vorwürfe seiner Gegner lauteten unter anderem, er sei ein Gegner des Amtspriestertums, ein Vertreter protestantischer Kirchentheorie, ein Leugner des kirchlichen Lehramtes und er behaupte, dass der Papst auf einer Höhe mit den anderen Gläubigen stehe. Vor allem aber wegen der laufenden Konkordatsverhandlungen mit Bayern, Preußen und dem Reich schreckten Pacelli und der Heilige Stuhl vor einer Verurteilung Wittigs zurück und sie forderten Bertram dazu auf, Wittig strengstens zu ermahnen (Dokument Nr. 23 und Nr. 82). Gasparri beschränkte sich allerdings darauf, von Bertram lediglich eine Ermahnung Wittigs in Bezug auf das Übergehen der bischöflichen Druckerlaubnis zu fordern und klammerte eine inhaltliche Kritik bewusst aus (Dokument Nr. 11718). Doch Wittig zeigte sich wenig diplomatisch und verlangte sogar, dass Bertram seine Ermahnung zurücknehmen und dies auch dem Heiligen Stuhl mitteilen solle.
1925 erteilte der Heilige Stuhl Wittig ein strenges Publikationsverbot und seine Schriften wurden vom Heiligen Offizium per Dekret vom 30. Juli 1925 auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt (Dokument Nr. 15515). Ebenso stand die Forderung im Raum, ihn vom akademischen Lehramt zu entfernen. Bertram versuchte dies zu vermeiden, allerdings unter der Bedingung des Heiligen Stuhls, dass Wittig den Antimodernisteneid erneut leisten sollte und sich den vom Heiligen Offizium vorgelegten Thesen zu unterwerfen habe. Da er sich weigerte, wurde Wittig 1926 exkommuniziert (vgl. Dokumente Nr. 16234 und 12320).
Aus den Akten der Vatikanischen Archive wird deutlich, dass die Hauptverantwortung für den Ausgang des Falls Wittig nicht wie bisher angenommen bei Bertram, sondern bei Pacelli und der Römischen Kurie lag.
Sources
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in: Die Tat. Monatsschrift für die Zukunft deutscher Kultur 14,1 (1922), S. 13-33.
Bibliography
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UNTERBURGER, Klaus, Vom Lehramt der Theologen zum Lehramt der Päpste, Pius XI., die
Apostolische Konstitution "Deus scientiarum Dominus" und die Reform der Universitätstheologie,
Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 2010, S. 292-308.
Recommended quotation
Fall Joseph Wittig, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 79, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/79. Last access: 30-12-2024.Document(s) related to this keyword
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