Revolution in Bayern I (8. November 1918 bis 21. Februar 1919)
Die Revolution in Bayern vollzog sich in ihren Grundzügen in drei Phasen:
I. Von der Ausrufung des Freistaats Bayern bis zur Ermordung Kurt Eisners (8. November 1918 bis 21. November 1919),
II. Von der Ermordung Kurt Eisners bis zur Ausrufung der Räterepublik (21. Februar bis 7. April 1919) und
III. Die Zeit der Räterepublik (7. April bis 1. Mai 1919).
Ursächlich für die Revolution in Bayern war ein Konglomerat von Gründen: Der Autoritätsverlust der Monarchie durch die psychische Erkrankung König Ottos I., der verfassungsrechtlich nicht vorgesehene wachsende Einfluss von Bürokratie und politischen Parteien, die Emanzipation der Frauen und der Arbeiter und damit verbunden die ungelösten Probleme der sozialen Frage, die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf Wirtschaft und Gesellschaft und letztlich als Auslöser der Unruhen die vollständige militärische Niederlage im Krieg. Die deutsche Kapitulation traf die Bevölkerung unvorbereitet. Die Soldaten waren fortan nicht mehr bereit, ihr Leben für eine verlorene Sache zu opfern. Bevölkerung und Soldaten gingen davon aus, dass die Parlamentarisierung der Deutschen Staaten zu maßvolleren Friedensbedingungen führen würde.
Die zentrale Figur der ersten beiden Phasen der Revolution in Bayern war der Journalist Kurt Eisner. Er war bereits 1916 zu der Ansicht gekommen, dass das Deutsche Reich für den Ausbruch des Kriegs verantwortlich sei. Daher hatte er sich im April 1917 der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) angeschlossen. Im Januar 1918 hatte er einen mehrtätigen Streik der Rüstungsarbeiter in München organisiert, der zum Sturz der Monarchie hatte führen sollen. Daraufhin war Eisner bis Mitte Oktober 1918 inhaftiert worden.
Die Revolution brach in München zwei Tage früher aus als in Berlin. Am 7. November fand auf der Münchener Theresienwiese eine Friedensdemonstration mit ca. 40-60.000 Personen statt, die von der Mehrheitssozialdemokratie (MSPD), der USPD und den Freien Gewerkschaften organisiert wurde. Die Anhänger der Unabhängigen unter der Führung Felix Fechenbachs und Kurt Eisners spalteten sich vom anschließenden geordneten Demonstrationszug der MSPD-Anhänger und Gewerkschafter durch die Stadt ab. Die Revolutionäre der USPD, unterstützt durch Soldaten und Matrosen, bildeten eine Gruppe von ca. 1000 Personen. Sie zogen die Soldaten in den Münchener Kasernen auf ihre Seite und besetzten den Hauptbahnhof, das Telegrafenamt und den Landtag. Dort wurde eine erste Sitzung abgehalten und Eisner zum Vorsitzenden der Arbeiter-, Soldaten und Bauernräte gewählt. Die Revolutionäre stießen auf keinen Widerstand der alten Ordnung, es waren keine Toten zu beklagen.
Eisner entwarf in der Nacht zum 8. November einen Aufruf, in dem der Freistaat Bayern proklamiert wurde. Dieser sollte eine parlamentarische Demokratie sein, da Eisner Wahlen für eine Verfassunggebende Bayerische Nationalversammlung ankündigte. Damit lehnte er eine Minderheitenherrschaft, eine Diktatur des Proletariats nach Vorbild der Russischen Oktoberrevolution, ab. Bis zu den Wahlen zur Nationalversammlung vertrat der Provisorische Nationalrat die Volksinteressen. Die MSPD, die die Revolution ablehnte, stellte sich dennoch auf den Boden der Tatsachen und signalisierte die Bereitschaft zur Regierungsbeteiligung. Der Provisorische Nationalrat trat am 8. November erstmals zusammen. Er setzte sich aus Vertretern der Arbeiter- und Soldatenräte sowie aus Landtagsabgeordneten der MSPD, des Bauernbundes und der Liberalen Vereinigung zusammen. Der Provisorische Nationalrat bestätigte durch Akklamation das zuvor ausgehandelte Kabinett unter Führung Eisners. Es setzte sich aus vier Ministern der MSPD, drei der USPD und einem parteilosen zusammen.
Noch am 8. November breitete sich die Revolution in Bayern auf die übrigen Ballungs- und Industriezentren wie Nürnberg, Fürth, Augsburg, Würzburg und Ludwigshafen aus. In den nächsten Tagen folgten die weiteren größeren Kommunen Bayerns. Das flache Land schloss sich erst stark verspätet der Revolution an.
Zwar konnte sich das Kabinett Eisner auf den Provisorischen Nationalrat als parlamentarisches Gremium stützen, doch regierte es nicht auf der Basis parlamentarischer Legitimation, sondern aus revolutionärem Recht. König Ludwig III. war vor der Revolution nach Schloss Anif bei Salzburg geflohen und entband am 12. November in der sogenannten Anifer Erklärung die bayerischen Beamten, Offiziere und Soldaten von dem auf ihn geleisteten Treueid. Die Regierung Eisner ließ die Anifer Erklärung am 13. November als "Thronverzicht" publizieren, auch wenn weder Ludwig III. noch Kronprinz Rupprecht formal abgedankt hatten. Die Träger der alten Ordnung leisteten keinen Widerstand gegen die Revolutionäre. So konnten Ruhe und öffentliche Ordnung schnell wieder hergestellt werden, was zu einer gewissen Akzeptanz der Regierung bei der Bevölkerung bis ins bürgerliche Lager hinein führte. Das Kabinett konnte am 15. November ein Arbeitsprogramm vorlegen: Ankündigung von Wahlen zur Verfassunggebenden Bayerischen Nationalversammlung, Verzicht auf Sozialisierungsmaßnahmen, Einsatz für moderate Friedensbedingungen, Neuordnung eines föderalistischen Deutschlands unter Einbeziehung Österreichs, Lösung der drängenden Fragen wie der Demobilisierung, der Lebensmittelversorgung und der Arbeitsbeschaffung sowie – mit Blick auf die Aufgabe Eugenio Pacellis als Nuntius in München zentral – die anvisierte Trennung von Kirche und Staat. Ein wesentliches Merkmal der Revolution in Bayern war die Feindschaft zwischen den Sozialisten als Trägern und Siegern der Revolution und den Katholiken, die sich als Verlierer betrachten mussten.
Die Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte standen in der ersten Phase der Revolution in Bayern mehrheitlich hinter der Einberufung einer Verfassunggebenden Bayerischen Nationalversammlung und damit hinter einer parlamentarischen Republik. Nach kontroversen Diskussionen um den Wahltermin wurde dieser auf den 12. Januar 1919 (in der Pfalz auf den 2. Februar) gelegt. Die Wahlen führten zu einer heftigen Niederlage der USPD Kurt Eisners. Sie konnte lediglich 2,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, was die Regierung in eine Legitimationskrise stürzte. Die radikale Linke intensivierte daraufhin ihren Druck auf der Straße, während die bürgerliche Rechte die Stimmung ihrerseits durch Pressekampagnen aufheizte. Zentrale Konfliktthemen waren Eisners Eingeständnis der deutschen Kriegsschuld, die zukünftige verfassungsrechtliche Rolle der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte sowie der Aufbau einer Bürgerwehr. Diese Fragen prägten zwar auch die zweite Phase der Revolution in Bayern, doch stellt die Ermordung Kurt Eisners am 21. Februar durch Anton Graf von Arco auf Valley dennoch einen zentralen Einschnitt dar. Es entstand ein Machtvakuum, das erst durch die Ausrufung der Räterepublik am 7. April gefüllt wurde.
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