Päpstliche Friedensinitiative Benedikts XV. vom 1. August 1917

Die Veränderungen der politischen Situation im Jahr 1916 und in der ersten Jahreshälfte 1917, insbesondere die Bekundungen einer Friedensbereitschaft durch die Mittelmächte, die deutsche Bitte um eine Vermittlertätigkeit des Heiligen Stuhls, der Sturz des russischen Zaren, aber auch das Scheitern des amerikanischen Friedensvorschlages, verbunden mit dem wenig später erfolgte Kriegseintritt der USA, ließen in den Augen Papst Benedikts XV. eine päpstliche Friedensvermittlung so notwendig und aussichtsreich wie nie zuvor erscheinen. Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri hingegen vertrat eine strikte Überparteilichkeit des Heiligen Stuhls, die er aus dessen übernationaler Stellung ableitete. Er konnte sich allerdings nicht durchsetzen.
Die Reichsleitung weigerte sich jedoch zunächst, konkrete Friedensbedingungen und mögliche deutsche Konzessionen zu nennen. Nuntius Giuseppe Aversa, der vor allem mit dem Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger in vertraulichen Verhandlungen gestanden hatte, hatte bereits zu Beginn des Jahres 1917 einige generelle Richtlinien für einen Friedensschluss erhalten – vier Grundsätze, auf die man sich aus deutscher Sicht schnell einigen konnte: 1. Freiheit der Meere, 2. Freiheit der kleineren Staaten, 3. beidseitige Abrüstung und 4. Gleichgewicht der Kräfte in Europa.
Die Instruktion für Nuntius Pacelli vom 13. Juni 1917 wies diesen an, der besonderen Sorge des Papstes wegen des Krieges Ausdruck zu verleihen und dem deutschen Kaiser Wilhelm II. nahe zu legen, zur Erreichung des Friedens auf ursprüngliche deutsche Kriegsziele zu verzichten. Ferner sollte der Nuntius auf allgemeine Abrüstung und die Wiederherstellung bzw. Unabhängigkeit Belgiens drängen sowie vorsichtig die Frage von Elsass-Lothringen berühren. Schließlich sollte Pacelli den Blick auf das Schicksal Russlands und Polens lenken und hier das Feld für einen Separatfrieden sondieren. Vom 26. bis 28. Juni hielt Pacelli sich zu diesem Zweck in Berlin auf und verhandelte mit Reichskanzler von Bethmann Hollweg. Am 29. Juni wurde er von Wilhelm II. im Bad Kreuznacher Hauptquartier empfangen (Dokument Nr. 366). Die grundsätzliche Konzessionsbereitschaft des Reichskanzlers ließ Pacelli zufrieden nach München zurückkehren. Er erwartete, dass ein Waffenstillstand, verbunden mit einem deutschen Verzicht auf Belgien, unmittelbar bevorstand. Benedikt XV. und Gasparri hielten die Gelegenheit für eine päpstliche Vermittlertätigkeit für äußerst günstig.
Inzwischen hatte jedoch nach der Julikrise Georg Michaelis das Amt des Reichskanzlers angetreten. Die Römische Kurie glaubte blauäugig, die Zusagen, die Michaelis' gestürzter Vorgänger von Bethmann Hollweg ohne Rückversicherung bei Kaiser und Oberster Heeresleitung gemacht hatte, würden faktisch auch weiterhin die Maximen der deutschen Politik bestimmen. Darüber hinaus setzte man sich selbst auch zeitlich wegen des bevorstehenden dritten Jahrestags des Kriegsausbruchs unter zusätzlichen Druck. Am 24. Juli unterbreitete Pacelli auf seiner zweiten Berlinreise in einem Promemoria sieben konkrete Friedensbedingungen, zu denen Berlin mündliche Einwendungen vorbrachte (Dokument Nr. 378). Die Römische Kurie griff – mit Ausnahme des entscheidenden Punktes der geforderten Garantien für den deutschen Rückzug aus Belgien – diese auch auf. Zurückdatiert auf den 1. August trat der Papst mit seinem Friedensappell an die kriegführenden Mächte an die Öffentlichkeit. Inhaltlich waren die Forderungen nach der Freiheit der Meere, beidseitiger Abrüstung, Deutschlands Rückzug aus Frankreich, Englands Rückzug aus den deutschen Kolonien, vor allem aber die vollständige Unabhängigkeit Belgiens die wesentlichen päpstlichen Friedensvorschläge. Hier glaubte man sich in Rom mit der deutschen Seite nach den Sondierungen Pacellis einig. Auf diese deutschen Vorleistungen hin – so hoffte man – werde auch die Entente sich bewegen und so ein entscheidender Verhandlungsdurchbruch erreicht werden können.
Die Päpstliche Friedensinitiative scheiterte jedoch in allen Bereichen. Die USA und England wollten nur mit einer demokratisch gewählten deutschen Regierung verhandeln. Die weiteren Entente-Staaten antworteten entweder gar nicht oder schlossen sich dieser Position an. Auch die deutsche Antwort entsprach nicht den Erwartungen Pacellis und der Römischen Kurie. Die Reichsregierung wollte ihr Faustpfand, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens, nicht vor dem Beginn offizieller Friedensverhandlungen aus der Hand geben und klammerte somit den entscheidenden Punkt aus ihrer Antwort auS. 
Nach dieser negativen Erfahrung verzichtete Papst Benedikt XV. in den folgenden Jahren auf Mediationsversuche. Für Pacelli scheint das Scheitern der Friedensinitiative prägend gewesen zu sein auch für seine umstrittene Haltung als Papst Pius XII. im Zweiten Weltkrieg.
Sources
Papst Benedikt XV. an die Oberhäupter der kriegführenden Völker, in: STEGLICH, Wolfgang (Hg.), Der Friedensappell Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917 und die Mittelmächte. Diplomatische Aktenstücke des Deutschen Auswärtigen Amtes, des Bayerischen Staatsministeriums des Äussern, des Österreichisch-Ungarischen Ministeriums des Äussern und des Britischen Auswärtigen Amtes aus den Jahren 1915-1922, Wiesbaden 1970, Nr. 124, S. 160-162.
Bibliography
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