Konkordat mit Preußen von 1929

Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Preußen vom 14. Juni 1929 regelte das Verhältnis zwischen Staat und Kirche nach der Novemberrevolution 1918 neu.
Es ersetzte die konkordatären Vereinbarungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: die Bulle "De salute animarum" vom 16. Juli 1821 und das Breve "Quod de fidelium" vom 16. Juli 1821 für Altpreußen, die Bulle "Impensa Romanorum" vom 26. März 1824 für Hannover sowie die Bullen "Provida sollersque" vom 16. August 1821 und "Ad dominici gregis custodiam" sowie das Breve "Re sacra" vom 28. Mai 1827 für die oberrheinische Kirchenprovinz. Es umfasste folgende Hauptpunkte:
1) Die preußischen Erzdiözesen und Diözesen wurden reorganisiert. Das Erzbistum Köln behielt Münster und Trier als Suffragane und erhielt das neugegründete Bistum Aachen, das bisher oberrheinische Bistum Limburg und das bisher exemte Bistum Osnabrück hinzu. Paderborn, das zum Erzbistum erhöht wurde, wurden das bisher exemte Bistum Hildesheim und das zuvor oberrheinische Bistum Fulda zugeordnet. Auch Breslau wurde zum Erzbistum erhöht. Es erhielt als Suffragane das bisher exemte Bistum Ermland, das neu errichtete Bistum Berlin und die neuerrichtete Praelatura nullius Schneidemühl, in der die bisher von einem Apostolischen Administrator verwalteten deutschen Restgebiete der Diözesen Posen-Gnesen und Kulm aufgingen (Art. 2).
2) Bei der Besetzung der bischöflichen Stühle konnte die preußische Regierung die Beibehaltung des Kapitelswahlrechts durchsetzen. Dem Papst kam dabei das Recht zu, unter Würdigung der Vorschläge des Kapitels eine Kandidatenliste aus drei Personen, die Terna zusammenzustellen, aus der das Domkapitel den neuen Bischof wählte. Die preußische Regierung hatte durch die "politische Klausel" die Möglichkeit, nach der Wahl dem Kapitel gegenüber Bedenken politischer Art gegen den Gewählten zu äußern (Art. 6).
3) Der preußische Staat erkannte seine Verpflichtung zu finanziellen Leistungen an die katholische Kirche an, deren Höhe festgelegt wurde (Art. 4).
4) Es wurden die bisherigen Mindestanforderungen an die Bildung und die Staatsangehörigkeit von Inhabern geistlicher Ämter bestätigt (Art. 9 und 10).
5) Der Erhalt und die Organisation der katholisch-theologischen Fakultäten der Universitäten zu Breslau, Bonn und Münster war ebenfalls Teil des Vertrags. Diözesen ohne eine solche Fakultät wurde die Errichtung bischöflicher Seminare zur Priesterausbildung gestattet (Art. 12).
Die im Konkordat nicht enthaltene Schulfrage wurde mit einem Notenwechsel, der zwischen der Verkündung des Vertragswerkes am 3. August und Ratifizierung am 13. August 1929 stattfand, behandelt. Dieser Notenwechsel wurde dabei von der Kurie publiziert, nicht aber von der preußischen Regierung. Die Note Pacellis vom 5. August brachte zum Ausdruck, dass der Heilige Stuhl nicht auf die Grundsätze verzichte, die die Kirche zu ihrer ursprünglichen Forderung veranlasst hatten; in seiner Antwortnote schrieb der preußische Ministerpräsident Braun am 6. August, dass die Auslassung der Schulfrage im Konkordat keine Ausschaltung der verfassungsmäßigen Rechte der preußischen Katholiken auf dem Gebiet der Schulfrage bedeute, insbesondere in Bezug auf die Regelungen der Weimarer Reichsverfassung (Art. 174). Über die Verbindlichkeit dieses Notenwechsels bestanden jedoch unterschiedliche Auffassungen.
Quellen
Concordato con la Prussia vom 14. April 1929 [sic], in: MERCATI, Angelo (Bearb.), Raccolta di Concordati su Materie Ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorità Civil, Bd. 2: 1915-1954, Vatikanstadt 1954, S. 133-148.
Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Preußen vom 14. Juni 1929, in: HUBER, Ernst Rudolf / HUBER, Wolfgang (Hg.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 4: Staat und Kirche in der Zeit der Weimarer Republik, Berlin 21990 ND Darmstadt 2014, Nr. 183, S. 322-328.
Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius in Berlin und dem Preußischen Ministerpräsidenten vom 5./6. August 1929, in: SCHÖPPE, Lothar (Bearb.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (Dokumente 35), Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 67-69.
Schlußprotokoll, in: SCHÖPPE, Lothar (Bearb.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (Dokumente 35), Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 66 f.
Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhle vom 14. Juni 1929, in: SCHÖPPE, Lothar (Bearb.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (Dokumente 35), Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 63-66.
Literatur
DAMBACHER, Johannes, Eugenio Pacelli und Adolf Kardinal Bertram vor dem Hintergrund der Verhandlungen zum Preußenkonkordat, in: Römische Quartalsschrift 104 (2009), S. 141-165.
FELDKAMP, Michael F., Pius XII. und Deutschland, Göttingen 2000, S. 54-61.
GOLOMBEK, Dieter, Die politische Vorgeschichte des Preußenkonkordats (1929) (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 4), Mainz 1970.
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart u. a. 1981, S. 918-924.
LISTL, Josef (Hg.), Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, Textausgabe für Wissenschaft und Praxis I, Berlin 1987.
Empfohlene Zitierweise
Konkordat mit Preußen von 1929, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 5, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/5. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 18.09.2015, letzte Änderung am 01.02.2022.
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